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Handbuch der Drogisten-Praxis

Gustav Adolf Buchheister, Verlag von Julius Springer, Berlin, 3. Auflage, 1893

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Farben und Farbwaaren.

Erhöhung der Temperatur, dass ein Theil der Flüssigkeit überdestillirt und von Zeit zu Zeit in den Kessel zurückgegeben werden muss. Nach beendeter Reaktion wird die Masse im Kessel mit Kalkhydrat versetzt und nun durch eingeleiteten Dampf der Destillation unterworfen. Das erhaltene Produkt theilt sich in zwei Schichten, bestehend aus Wasser und rohem Anilin, dem sog. Anilinöl des Handels. Es ist durchaus kein reines Anilin, sondern entsprechend dem Benzol des Handels, das ein Gemenge von Benzol, Toluol und geringen Mengen von Xylol darstellt, eine verschiedenartig zusammengesetzte Mischung von Anilin, Toluidin und Spuren von Xyloidin. Es wird, um es von etwa noch beigemengtem Nitrobenzol, Benzol und etwaigem Ammoniak zu befreien, rektifizirt. Zur Prüfung auf seine Reinheit wird es in verdünnter Salzsäure gelöst. Ist mehr als ½ % der eben genannten Verunreinigungen vorhanden, so erscheint die Losung trübe, nicht klar.

Das Anilin des Handels stellt eine ölige, anfangs helle, bald aber röthlich bis bräunlich werdende Flüssigkeit dar, von einem spez. Gew., das eben über dem des Wassers liegt. Es siedet bei ca. 180°, hat einen eigenthümlichen, nicht unangenehmen Geruch und scharfen, brennenden Geschmack. In Wasser ist es nur sehr wenig löslich (die Lösung ist von schwach alkalischer Reaktion), leicht löslich in Weingeist, Aether, Chloroform und fetten Oelen. Das Anilin bildet mit Säuren leicht und gut krystallisirende Salze. Es gilt als giftig!

Neuerdings stellt man auch zur Fabrikation einzelner Farben reines Anilin her, welches wenigstens nur Spuren von Toluidin enthält. Man benutzt es namentlich zur Herstellung von Fuchsinblau und Anilinschwarz in der Zeugdruckerei und zum Schwarzfärben von Baumwollfaser. Für die meisten Zwecke hingegen ist die im Anilinöl enthaltene Beimengung von Toluidin nicht nur kein Fehler, sondern für einzelne Farben sogar nothwendig.

Die Umwandlung des Anilins in Anilinfarben beruht grösstentheils auf einer weiteren Oxydation desselben. Es entstehen höher oxydirte Basen, z. B. Rosanilin, Mauvein u. a. Diese und die aus ihnen hergestellten Salze, sowie Verbindungen derselben mit Jod und Brom bilden die verschiedenen Anilinfarben. Zuweilen werden auch einzelne Wasserstoffmoleküle in den Verbindungen durch Alkoholradikale, wie Methyl und Aethyl, ersetzt. Früher geschah die Oxydation des Anilins fast immer durch Arsensäure. Der grosse Uebelstand, dass das Arsen die Anilinfarben verunreinigte und die bedeutenden Schwierigkeiten, welche den Fabrikanten durch die mit grossen Mengen arseniger Säure vermischten Rückstände erwuchsen, bewogen dieselben von dieser Methode abzugehen. Man oxydirt jetzt durch andere Substanzen, namentlich durch Nitrobenzol und Nitrotoluol bei Gegenwart von metallischem Eisen und Salzsäure. Die durch irgend eine dieser Oxydationsmethoden entstehenden Umsetzungsprodukte sind zum grössten Theil Rosanilin; dasselbe ist ungefärbt, giebt