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Abhandlung von der Stadt Ulm

Bruder Felix Fabris, Druck der Buchdruckerei von Heinrich Frey, Ulm, 1909

Nach der Ausgabe des litterarischen Vereins in Stuttgart verdeutscht von Professor K. D. Haßler.

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und Fürsten. Denn leichter beflecken niedrigere Adelige durch niedrige Ehen ihre Linie, als höhere. Deshalb schadet eine niedrige Ehe einem Freiherrn mehr als einem Fürsten und einem Dienstmann mehr als einem Freiherrn und einem Bürger mehr als einem Ritter oder Dienstmann. Daher liest man nach diesem Satz, daß einst der einzige Sohn eines Königs von Böhmen aus Liebe zu der Tochter einer armen Wäscherin mit dieser sich verbunden habe und durch dieselbe sei das königliche Geschlecht fortgesetzt worden; denn die Niedrigkeit der Frau konnte eine so hohe Vortrefflichkeit des Geschlechts nicht vermindern, wie auch eine mäßige Menge Wasser einem reichlichen Feuer nicht schadet; denn das Gesetz sagt, daß die Frauen leuchten durch die Würde ihrer Männer. Es ist aber kein Zweifel, daß die Vereinigung mit einer solchen Waschfrau das Licht eines kleinen Adels sehr verdunkelt, wenn nicht ausgelöscht hätte. Denn ein Wenig verderbt nicht ein Viel, aber ein Viel kann ein Wenig gar sehr verderben. Also eine lobenswerte Ader (pag. 66) bewahrt ihren Ursprung, ohne geschwächt zu werden. Weil aber die Ulmer Bürger die alte Ader ihres Adels nicht bewahrt haben, durch die sie einst mit den Adeligen verbunden waren, deswegen verschmähen jetzt die Adeligen, mit ihnen in Familienverbindung zu treten und leiden nicht, daß sie von ihnen gedutzt werden, was sie ehemals von ihren Vätern haben wollten.

Ein vierter Unterschied von Bürgern besteht darin, daß manche einfache Leute von geringer Herkunft, die sich Geld erworben haben, nach Ulm kommen, Ehen mit Bürgern suchen, und so in die Stellung von Bürgern dritten Ranges aufsteigen und durch die Ehe und gute Freunde in bessere Stellung gelangen. Denn wenig nützt Reichtum ohne andere Erfordernisse. Daher macht nach dem Kommentator Catos metro 40 parte 1 Reichtum, wenn nicht Adel und Macht ihn begleitet, den Menschen nicht glücklich, sondern unglücklich d. h. unselig. Daher nennt der Philosoph einen reichen Nichtadeligen einen seligen Unvernünftigen oder einen unvernünftigen Glücklichen. Damit also Reichgewordene am Geschäft oder sonst einem Glück sich erfreuen können, kommen sie nach Ulm und erwerben sich den Adel und die Macht der Bürger durch andere nachfolgende Verdienste. Diese also Bürger und Adelige Gewordene können wohl mit Zach. 1) 11 sagen: "Gelobet sei der Herr, denn wir sind reich geworden"; und mit den Sprüchen 2) am Letzten: "der Segen des Herrn macht reich. " Solche aber machen sich besonders durch ihre Freigebigkeit des Adels würdig und dazu geschickt; denn Freigebigkeit ist dem Adel eigen (wie gelesen und bemerkt wird in cap. 1 de donat. ).

Ein fünfter Unterschied der dritten Art von Bürgern ist der, daß manche, obwohl sie nicht von Adel und nicht reich sind, doch im Kriegswesen eifrig und kühn oder sonst bedeutend sind, und solche können, wenn sie kommen, in die Gemeinschaft dieser Bürger ausgenommen werden, besonders wenn die Ehe mit Bürgern dieses Standes dazukommt. So wurde Hesther die arme Jüdin, wegen ihrer Feinheit und Schönheit als Königin der Perser angenommen Hesth 3) 2. Und Saul, der Eselhirt, wurde zum König von Israel erwählt, weil er ein feiner Mann war und von hoher Gestalt von der Schulter an und eines Hauptes länger denn alles Volk l. Reg. 4) 9 u. 10. Und David, der Schafhirt, ward König (pag. 67) wegen

1) Zach. 11, 5.

2) Prov. Salom. 10, 22.

3) Esth. 2, 7. 17.

4) Das Citat soll heißen 1. Sam. 9, 2 u. 12, 23. 24.