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Abhandlung von der Stadt Ulm

Bruder Felix Fabris, Druck der Buchdruckerei von Heinrich Frey, Ulm, 1909

Nach der Ausgabe des litterarischen Vereins in Stuttgart verdeutscht von Professor K. D. Haßler.

Schlagworte auf dieser Seite: Krafft

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Stand der Zünftigen hinabgestiegen sind; von diesen nun möge es, weil sie nicht mehr vorhanden sind, genügen, so viel gesagt zu haben. Die zweiten sind diejenigen, deren Geschlecht von Alters in Ulm fortgeführt bis jetzt fortdauert. Und die Dritten, deren Geschlecht in unserer Zeit in Ulm eingeführt als in diesen Stand eingereiht gilt. Von diesen zweien aber rede ich nur ohne Unterscheidung eines früheren und späteren Ursprungs, denn allzugroßes Alter bringt Vergessenheit und Verwirrung. Denn wer von dem früheren und späteren Ursprung der Ulmer Bürger, von jüngerem und älterem Adel sprechen wollte, würde sich vielmehr Unwillen zuziehen als Frieden schaffen Aber damit man bei der Besprechung nicht jegliche Ordnung preisgegeben sieht, will ich die Genealogien derjenigen Bürger an die erste Stelle setzen, welche gegenwärtig die erste Stellung und Würde innehaben; denn bei den drei hervorragenden Familien der Krafft, der Ehinger und der Besserer ruht jetzt die oberste Gewalt der Stadt. Deshalb ist mit ihnen ohne Benachteiligung für sonst jemand der Anfang zu machen, und nachher werde ich folgerichtig alle andern Geschlechter und Familien dieses dritten Standes nennen, von dem, wie gesagt, die oberste Stellung, Macht und Würde der Stadt abhängt. Und so werden die Krafft die ersten Gründer unserer Gemeine sein, von welchen der bedeutende Herr Magnus Krafft jetzt Bürgermeister und Leiter des Ulmer Gemeinwesens ist.

Krafft.

Die edle Familie der Krafft ist von so hohem Alter, daß nicht genau festgestellt werden kann, wo und wenn sie entstanden ist. Daß sie jedoch immer zu den Ulmern gehört habe, entnehmen wir aus den ältesten Schriften, wo deutlich gezeigt wird, daß es bedeutende und berühmte Männer in dieser Familie schon vor 300 Jahren gegeben habe. Ferner glauben manche, daß diese Familie in alter Zeit einen andern Namen gehabt und de Ita, 1) gemeinhin "Vom Steg" genannt worden sei, und sie sagen, die Familie sei aus der Gegend der Fildern (Vildria), gemeinhin "auf den Vildern" genannt, zuerst vertrieben worden, nämlich aus dem Dorf Scharnhausen, von einer in dieser Gegend gelegenen (pag. 78) Burg; es durchläuft nämlich vom Schönbuch (Schombuch sylva) her ein Fluß namens Kersch (Kerß), der das Dorf Scharnhausen von der Burg trennt, und es war ein Steg, über den ein Übergang von der Burg in das Dorf führte, und deshalb nannte das Landvolk nach diesem Steg auch die Burg selbst Steg und in der Folge begann man die adeligen Besitzer der Burg "die vom Steg" zu nennen. Als aber die Gegend in den Kriegswirren verwüstet und die Adeligen aus ihren Sitzen vertrieben wurden, ergriffen auch die Edlen vom Steg die Flucht, nachdem ihre Burg Steg, von der noch heute die Ruinen vorhanden sind, eingenommen und verbrannt worden war, und nachdem sie nach Ulm gezogen waren, wurden sie noch lange Zeit nachher "die vom Steg" genannt; und mit diesem Namen scheint auch ihr Wappen zu stimmen, das einen goldenen Steg quer durch ein rotes Feld führt. Diesen Namen Krafft aber erwarben sie später in einem gegen einen Adeligen glücklich bestandenen Duell. Es soll nämlich ein Adeliger gewesen sein, der von seinen Vorfahren ein Wappen hatte, das in allem dieselbe Zeichnung zeigte, wie das der de Ita (vom Steg), und weil er anmaßend war, glaubte er, niemand dürfe in seinem Wappen diese Farben führen als er und die Seinigen. Daher hatte er ernstliche Feindschaft mit den Edlen de Ita, riß ihr vorgefundenes Wappen herab und beschimpfte es schmählich.

1) Ita = semita, Pfad, Steig, Steg, s. Dieffenbach, Glossarium latino-germ.