Johannes Emmer,
Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin,
ohne Jahr [1901]
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Die Urgeschichte der Kunst.
eines 3 cm großen Figürchens in Stein jedoch nicht als Kunst aufzufassen. In dieser Hinsicht urteilt man heute richtiger.
Es dürfte nun wohl genug der Allgemeinheiten sein und ich halte es für nützlicher, mich dem Besonderen zuzuwenden. Da deutsche Gründlichkeit eine geregelte Anordnung fordert, so muß ich wohl eine solche bekanntgeben: Die Betrachtung soll nach Völkerkreisen erfolgen, und zwar wird sie nur jene berücksichtigen, welche über die ersten Kulturstufen hinaus gelangten.
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Aelteste Kunstformen. Die Abbildungen auf S. 4-9 bieten eine kleine Auslese aus dem reichen Formenschatze der ersten menschlichen Kunstthätigkeit. Sie sollen das im vorhergehenden Gesagte ergänzen, vor allem aber zum eigenen Nachdenken über die Mannigfaltigkeit der Formen und Höhe des Kunstsinnes und der Kunstfertigkeit in Zeiten und bei Völkern, welche wir meist noch als rein "barbarische" zu betrachten gewöhnt sind, anregen.
Die ältesten Erzeugnisse der europäischen Kunst stellen die Abbildungen der Figur 2 dar. Die Verfertiger derselben gehörten wohl sämtlich reinen Jägervölkern an. Durch ihre Lebensweise waren sie gezwungen, sich eine scharfe Naturbeobachtung und große Handfertigkeit anzueignen. Dieses befähigte sie, einem Drange nach künstlerischer Bethätigung durch Nachbildung der für sie wichtigsten Wesen nachzugeben. Die Tiergestalt ist der hauptsächlichste und am besten gelungene Gegenstand ihrer Kunst. 1, das Bild eines Fisches, und 2, ein Mensch mit Stock oder Speer, zwei Pferdeköpfe, dahinter links ein niedergebeugter Baum, auch als Schlange gedeutet, geben uns zwei Proben, welche deutlich dies Streben nach Naturwahrheit erkennen lassen. Noch schöner tritt dieses bei den Nachbildungen der Tierköpfe oder Körper hervor, wie 3, 6 und 7 zeigen sollen.
Die beiden menschlichen Figuren in 4 und 5 stehen dahinter weit zurück; es sind gleichsam nur Abkürzungen, welche jedenfalls religiösen Zwecken gedient haben; man kann in ihnen also Anfänge einer religiösen Kunst erblicken. - Die Abbildungen der Figur 3 gehören einem Gebiete an, welches wir das Kunstgewerbe nennen. Dieses bietet ja das
^[Fig. 9. Darstellungen des menschlichen und tierischen Körpers bei den Naturvölkern. (Nach Ratzel.)
1. In Knochen geritzte Zeichnung eines Eskimos (Rentierjagd). 2. Zeichnung eines Tschuktschen. 3. Knochenschnitzerei eines Eskimos. 4. Schwirrbrett der Australier (religiösen Zwecken dienend). 5. Amulett aus Ubudschwe (Zentralafrika). 6. Indianische Schnitzerei (Gefäß) aus Nordwestamerika. 7. Ahnenbild der Igoroten von Luzon (Malayische Inseln). 8. Gegossener Messingstab der Ogbonineger (Westafrika).]