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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Das "Schöne"; Kleinkunst und Kunstgewerbe

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Die Urgeschichte der Kunst.

Halbkugeln - sind allenthalben die ersten Gestaltungsformen der menschlichen Werke körperlicher Art.

Das gilt aber auch von den unkörperlichen, kurzweg gesagt, von den Gebilden der Ton- und Dichtkunst. Auch hier ist Regelmäßigkeit das Kennzeichen der ersten Anfänge; auf regelmäßigen Tonfall, regelmäßige Wiederholung von Worten und Wortordnungen u. s. w. nach vielfachen Gesetzen, beschränkt sich diese älteste Art Kunst.

Mit Vorstehendem habe ich in Kürze einige Andeutungen über das Gemeinsame gegeben, welches allenthalben den Grundlagen der Kunstentwicklung eigen ist. Noch einige andere Bemerkungen muß ich hier anfügen.

Das "Schöne". Die Grenze zwischen Fertigkeit und Kunst ist nicht scharf ausgeprägt; es ist zwischen beiden ein Uebergangsgebiet vorhanden, das man je nach der Auffassung dem einen oder dem andern zuweisen kann. Gewöhnlich nimmt man Zuflucht zu dem Gesichtspunkt des "Schönen".

Dieser ist aber gänzlich unbrauchbar. "Schön" ist ein veränderlicher, durchaus nur von persönlichen Anschauungen abhängiger Begriff. Das "Schön an sich" läßt sich nicht bestimmen, es giebt kein allgemein gültiges Gesetz dafür, sondern nur Lehrmeinungen, verschieden nach Art der Völker, der Zeiten, ja der Einzelnen.

Den Begriff "Kunst" vom Begriff "Schön" abhängig machen, heißt einseitig verfahren. Das ist nicht anders, als wenn jemand das ganze Wesen einer Stadt nach der Ansicht beurteilen wollte, die er aus dem Fenster eines Hauses gewinnt. Das Weitere hierüber wird sich an anderer Stelle verständlicher erläutern lassen. Dagegen glaube ich vorläufig ein verwendbares Merkmal für Kunst mit den Worten bezeichnen zu können: "Das jeweils - das heißt unter gegebenen zeitlichen und örtlichen Verhältnissen - Gefallsame".

Kleinkunst und Kunstgewerbe. Als einseitige und willkürliche Einschränkung, die namentlich auf dem Gebiete der bildenden Künste in früherer Zeit üblich war, muß es bezeichnet werden, daß man jene Gebilde nicht als Kunstwerke in Betrachtung zog, welche man heute Erzeugnisse der "Kleinkunst und des Kunstgewerbes" nennt. Es liegt doch sicher kein sachlicher Grund vor, das Formen einer meterhohen Figur als Kunst, das Schnitzen

^[Abb.: Fig. 8. Künstlerische Erzeugnisse der Naturvölker. (Nach Ratzel.)

1. Holzlöffel der Kaffern. 2. Geschnitzter Holzspatel aus Neuguinea. 3. Armring der Djur (Afrika). 4. In Holz geschnitzte Verzierungen von einer Trommel der Amduella (Afrika). 5. Die Hälfte eines geschnitzten Schildes mit Tiergestalten aus Neuguinea. 6. Thongefäß vom unteren Niger (Afrika) mit eingeritzten Verzierungen. 7. Thongefäß der Marutse (Afrika). 8. Schmuckplatte aus Perlmutter mit aufgelegtem Schildpatt, von den Admiralitätsinseln.]