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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Bedeutung der Mittelmeerlandschaft; Die Rassen am Mittelmeer; Israeliten

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Die östlichen Mittelmeerländer.

Syrien. Kleinasien.

Bedeutung der Mittelmeerlandschaft. An weltgeschichtlicher Bedeutung kommt kein anderes Landschaftsgebiet dem Becken des Mittelmeeres gleich. Die Ursache ist leicht erkennbar. Das Wasser ist die unerläßliche Vorbedingung jeglichen Lebens, das Meer die Urkeimstätte aller Lebewesen. Das tiefe Eindringen der Meerfluten in die Landmasse der östlichen Erdhalbkugel schuf hier außerordentlich günstige Bedingungen für Leben und Entwicklung der Menschen, wie sie im Innern von Landmassen niemals zu finden sind. Dies reichgegliederte - im Verhältnis zur Wassermasse mit ungewöhnlich ausgedehnter Küstenentwicklung bedachte - Gebiet war daher seit Urzeiten das Ziel der Völkerwanderungen.

Boten nun die glücklichen Lebensbedingungen die Grundlage, auf der schon die ersten Ansiedler leichter Kulturfortschritte machen konnten als anderwärts, so hatte das Einströmen immer neuer, unverbrauchter Völkermassen die Folge, daß kein Stillstand in der Entwicklung eintrat, sondern Kulturschicht auf Kulturschicht sich aufbaute. War ein älteres Volk in seiner Kraft aufgebraucht, übernahm ein neues - sich mit jenem vermischend - dessen Kulturerbschaft und erklomm mit seiner frischen Kraft eine höhere Stufe.

Diese stete Volksmischung ist das Geheimnis der nun schon mehrtausendjährigen immerjungen Kulturkraft der Mittelmeervölker. Das beweiskräftigste Zeugnis dafür bilden die eben hier befindlichen Ausnahmen; sobald die Vermischung mit neuen Völkern abgelehnt wurde, wie bei den Aegyptern und Juden, gab es keinen Kulturfortschritt mehr.

Die Rassen am Mittelmeer. Drei Rassen teilten sich in der Besitz der Mittelmeerlandschaft. Indogermanen besiedelten den Norden Europas, den größeren Teil Kleinasiens, Semiten den Ostrand, Berber die afrikanischen Küstenstriche. Die Urbevölkerung Aegyptens scheint aus einer frühzeitigen Rassenmischung zu stammen, an welcher das Semitische vielleicht den Hauptanteil hatte. Die herumstreichenden Hirtenstämme der Berber hatten an der Kulturentwicklung keinen Anteil, ihr Küstengebiet geriet in den Machtbereich der semitischen Phöniker. Diese waren überhaupt die einzigen unter den Semiten, welche auch außerhalb Asiens zu einer länger dauernden Bedeutung für den Kulturfortschritt sich aufschwangen.

Israeliten. Die Israeliten gelangten dagegen zu keinem unmittelbaren Einfluß auf die Weltkultur. Zuerst ein herumstreifendes Hirtenvolk, später seßhafte Ackerbauer, jede engere Berührung und Vermischung mit Fremden ablehnend, kamen sie aus ärmlichen und beschränkten Verhältnissen nicht heraus. Da es keinen Verkehr gab, blieb auch das Gewerbewesen in bescheidenen Grenzen. Umso weniger war an eine besondere Entwicklung der Kunst zu denken. Der einzige Zweig, welcher Blüten trieb, war die Dichtkunst, die sich jedoch auf religiöse und Liebeslieder beschränkte. Die Tonkunst, welche bei allen älteren Völkern mit der Dichtkunst in enger Beziehung stand, wurde allerdings auch zu religiösen Zwecken geübt, blieb aber zweifellos gleichfalls auf einer niederen Stufe.

Für die bildenden Künste fehlte der Boden gänzlich. Die andernorts wirksamen Anlässe zu besonderen Bauten - Paläste und Tempel - fielen hier weg. Die Könige waren arm wie ihr Volk, dazu stetig von der Priesterschaft angefeindet, und konnten daher