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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

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Amerika.

Mittelamerika. Bauten der Maya. In dem mittelamerikanischen Kulturgetriebe treten die Mayavölker - deren Reste noch in Yukatan sich finden - zuerst mit einer fortgeschrittenen Kunstfertigkeit hervor. Sie waren die einzigen in Amerika, welche auch eine eigene Schrift erfunden hatten und somit auch ein Schrifttum besaßen. Die erhaltenen Handschriften sind mit Zeichnungen geschmückt, deren Art die Probe zeigt (Fig. 70).

Zahlreich sind ihre Baudenkmale, deren Entstehen sich jedenfalls auf einen Zeitraum von mehreren Jahrhunderten verteilt. Am meisten bemerkenswert sind jene von Copàn und des Bezirkes Chiapas. Sozusagen selbstverständlich ist es, daß diese Denkmale religiöser Art sind: also Tempelanlagen. Die Bauten erhoben sich auf einer Erdanschüttung - manchmal natürlichen Hügeln -, deren Seiten mit Steinfliesen verkleidet wurden. Auf diesem Unterbau stand der Tempel, der lang, schmal und mit einem außerordentlich massigen Dache gekrönt war. Bis zur Kenntnis der Gewölbe- und Bogenherstellung waren die Mayas nicht vorgeschritten, sie behalfen sich also mit dem Auswege, daß sie die einzelnen Steinschichten überkragen ließen, bis oben die Dachöffnung mit einer Platte geschlossen werden konnte. Dies bedingte die Massigkeit des Daches, das ein Drittel der ganzen Höhe des Baues einnahm und dessen Vorderwand mit ausgemeißelten Verzierungen und Flachbildwerken reich geschmückt wurde. Anlagen von mehreren Stockwerken wurden in der Weise hergestellt, daß an der Rückseite des ersten Gebäudes wieder ein Erdhügel bis zur Dachhöhe aufgeschüttet wurde, auf welchem dann das zweite Stockwerk stand. Das Ganze sah dann wie eine Stufenpyramide aus, da jedes obere Stockwerk hinter dem unteren zurücksprang. Durch die reiche Verzierung der breiten Flächen wurde der Eindruck des Wuchtigen einigermaßen gemildert.

Bildnerei der Maya. Die Flachbildwerke sind teils in Thon oder einer Art Stuck, teils in Stein ausgeführt; letztere stammen aus der jüngeren Zeit. Von einer naturwahren Wiedergabe der ganzen Körperformen ist natürlich keine Rede, nur in Einzelheiten giebt sich eine gute Beobachtung und Auffassung kund, mit großer Sorgfalt ist dagegen aller Zierat der Gewandung behandelt. Auch Stelen - Säulen mit Menschenformen - finden sich vor, die wenigstens erkennen lassen, daß die Maya auf dem Wege zur freien Gestaltung des Körpers als Standbild sich befanden.

Azteken. Die weitere Entwicklung wurde durch den Einbruch der Nahuavölker gestört, welche teils die Maya unterwarfen, teils in entlegene Gebiete zurückdrängten, im übrigen, aber

^[Abb.: Fig. 71. Ein Opfer vor dem Gotte Kukulkan. Flachbild der Maya.

London, Brit. Museum. (Nach Photographie.)]