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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

65 ^[Seitenzahl nicht im Original]

Amerika.

Selbständigkeit der altamerikanischen Kulturentwicklung. Die Entdeckung Amerikas hat auch manche unbequeme Folge gehabt, beispielsweise wurde den Verfechtern des einheitlichen Ursprungs des Menschengeschlechts ihre Sache recht erschwert. Schade ist, daß die Entdecker nicht schon das "wissenschaftliche Rüstzeug" des 19. Jahrhunderts hatten, um den Erscheinungen einer thatsächlich "zweiten Welt" völlig gerecht zu werden. Daß man es mit einer besonderen amerikanischen Rasse und mit einer völlig selbständigen, von der alten Welt niemals beeinflußten Kultur zu thun habe, gilt heute als ausgemacht. Der neueren Forschung ist es auch gelungen, von der früheren Geschichte Amerikas ein wenigstens annähernd richtiges Bild aufzustellen.

Zur Zeit der Entdeckung fanden sich auf Amerikas Boden die Stufen der Kultur von der allereinfachsten der Stein- und Bronzezeit bis eben zu jener hinauf, auf welcher im 8. bis 7. Jahrhundert v. Chr. Mittelasien stand. Daß die amerikanischen Naturvölker nach dem Eindringen der Europäer überhaupt zu keiner weiteren eigenartigen Kulturausbildung mehr gelangen konnten, ist ebenso begreiflich, wie daß die selbständige amerikanische Kultur vernichtet wurde und jetzt die europäische herrscht.

Man hat zwei Kulturgebiete zu unterscheiden: das nördliche, zwischen dem 10. bis 22. nördl. Breitegrad (Mittelamerika, Mexiko), und das südliche, bis etwa zum 25. südl. Breitegrad reichende an dem Westrande Südamerikas (Peru und Nachbarn). In jedem derselben läßt sich beobachten, daß der Kulturstand mehrfach wechselte, bedingt durch die Völkerwanderungen, die auch in Amerika stattgefunden haben. Das Eindringen neuer Völker hatte immer einen Rückschlag zur Folge, erst nach einiger Zeit trat wieder ein Aufschwung ein.

Amerikanische Kunst. Die Stellung, Bedeutung und Geschichte der eigenamerikanischen Kunst ergiebt sich aus den vorstehenden Sätzen. Sie ist selbständig, d. h. wurde von der Rasse aus Eigenem von den einfachsten Anfängen heraus entwickelt; sie hat nicht den geringsten Einfluß auf die allgemeine Entwicklung der Kunst - die Weltkunst - und sie hat nach mehrfachen Schwankungen vorzeitig ein jähes Ende gefunden.

^[Abb.: Fig. 70. Aus einer Handschrift der Maya.

(Nach Helmolt, Weltgeschichte.)]