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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Besprechung der Abbildungen

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Amerika.

dortigen Kulturvölker war damals nicht einmal so klein gegenüber der großen Masse reiner Naturvölker; in der "alten Welt" war das Verhältnis eigentlich zur Zeit der gleichen Kulturentwicklung viel ungünstiger. Daß für die letztere - und somit auch für die Kunst - eine lebhafte Völkerbewegung und Völkermischung notwendig sei, lehrt auch Amerika; vielleicht konnte man sogar noch den weiteren Schluß ziehen, daß, je größer die Verschiedenheit der Rassen und Stämme ist, welche zusammenstoßen, um so kräftiger und rascher die Entwicklung vor sich gehe.

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Besprechung der Abbildungen. Die Zahl der Abbildungen zu den Abschnitten Indien-Amerika ist etwas eingeschränkt worden zu Gunsten der griechischen Kunst, deren Bedeutung es wünschenswert erscheinen ließ, den Entwicklungsgang durch möglichst viel Bilder veranschaulichen zu können.

In Fig. 51 und 52 sind die zwei wichtigsten indischen Tempelformen, eine Stupa (vergl. S. 49) und das Innere eines Grottentempels, des Tempels von Karli wiedergegeben. Bei diesem mache ich besonders auf die Säulen aufmerksam. Auf dem gedrungenen, unten stufenförmigen, oben glockenförmig ausgebauchten Säulenfuß ruht der pfeilerartige Schaft. Das Kapitäl ist eine umgekehrte Wiederholung des Säulenfußes und wird von Elephanten, auf denen Menschen reiten, gekrönt. Im Hintergrund ist der Reliquienschrein sichtbar; die Form desselben ist der Stupa (Fig. 51) nachgebildet, und die Verzierung dem umgebenden Steinzaun. Fig. 55 zeigt eine andere reiche Kapitälform, die sich aus dem korinthischen Kapitäl entwickelt hat. - Die Flachbilder aus dem Tempel von Karli veranschaulichen das eigentümlich weichliche und rundliche, das die Indier den menschlichen Formen zu geben liebten, die Körper erscheinen dadurch wie knochenlos.

Fig. 54 zeigt die Verwilderung der späteren indischen Kunst, die sich in einer Ueberhäufung der Bauglieder mit bildnerischem Schmuck und in wunderlich phantastischen Menschen- und Tiergestalten, die willkürlich verbunden sind, äußert. Die Abbildungen Fig. 56-59 lassen den starken Einfluß der griechischen Kunst und die Aufnahmefähigkeit der Inder für die fremden Formen erkennen. Der griechische Einfluß äußert sich nicht nur in der

^[Abb.: Fig. 73. Altamerikanische Malerei und Zeichenkunst.

a) Krieger mit Schild, Spieß und Keule, aus einer Handschrift der Nahua. b) Altperuanische Vase mit Kriegerfiguren bemalt. c) Zwei Krieger, aus einer farbigen Zeichnung der Azteken.]