Schnellsuche:

Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Germanische Kunst

243

Germanische Kunst.

in Nordfrankreich aufgekommen waren, statt. Es handelt sich also um eine Fortbildung des Stiles nach der schmuckhaften Seite hin, hervorgerufen durch das Bestreben nach reicherer Verzierung, das schon in der Blütezeit bei den Baukünstlern immer zu Tage trat. Das Massige des Ganzen zu mildern durch noch lebendigere Gliederung und Leichtigkeit in der Gestaltung der Teile ist das Ziel, das man im Auge hat. Daher werden beispielsweise auch die Säulen schlanker gestaltet, die Wände durch Blendnischen und Laufgänge (Triforien) belebt, die Zahl der Fenster vermehrt und diese in Gruppen gestellt. Da man auch die Dicke der Mauern verringert, wendet man an den Stellen, wo die Gewölbe aufruhen, also den Wandpfeilern im Innern entsprechend, außen Strebepfeiler an.

Der Spitzbogen. Die wichtigste neue Form jedoch, welche diesen Bestrebungen entsprach, betraf die Gestaltung des Bogens - der Rundbogen wird "gebrochen" und der Spitzbogen kommt in Aufnahme. Der Rundbogen bedingt quadratische Gewölbefelder; die Ueberwölbung von länglich-viereckigen Feldern wird nur dadurch möglich, daß man den Rundbogen an der Langseite im Verhältnis niedriger macht, eindrückt, jenen an der Schmalseite überhöht, was jedoch keine günstige Wirkung macht. Die Schwierigkeit wurde nun glücklich gelöst durch die Anwendung des Spitzbogens, der jede beliebige Spannung gestattet und zu jeder Höhe emporgeführt werden kann, so daß sich Felder von jeglicher Form überwölben lassen.

Dies wirkte auch auf die Anlage des Grundrisses zurück; es war nun nicht mehr nötig, an der Vierung beziehungsweise der quadratischen Einteilung der Gewölbefelder festzuhalten, man konnte nun auch längliche Rechtecke bilden. Es werden daher jetzt auch im Mittelschiff von jedem Pfeiler aus - nicht blos von jedem zweiten - Gewölbe gespannt,

^[Abb.: Fig. 249. Portal der Hauptkirche zu Autun.]