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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Germanische Kunst

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Germanische Kunst.

auch die Totenkapellen auf den Friedhöfen, die hauptsächlich zur zeitweiligen Aufbewahrung der Leiche und Vornahme der Einsegnung dienten; in einem unterirdischen Gruftgewölbe - Beinhaus - wurden die Gebeine gesammelt, welche bei Wiederverwendung alter Gräber diesen entnommen wurden.

Bemerkenswert sind die Doppelkapellen in verschiedenen Burgen: es sind zwei auf demselben Grundriß übereinander erbaute Kapellen, die durch eine Oeffnung im Fußboden der oberen miteinander in Verbindung stehen. Die untere Kapelle war für das Gesinde bestimmt und diente auch als Grabkapelle.

Klosterbauten. Als halb kirchliche, halb weltliche Bauten erscheinen die Klöster, die schon frühzeitig in Mauerwerk aufgeführt wurden, da sie vielfach auch gewissermaßen als "Festungen" dienen mußten, in welche sich bei feindlichen Einfällen das Volk flüchtete.

Das Aeußere war anfänglich schmucklos, und in baulicher Hinsicht kam zunächst nur der sogenannte "Kreuzgang" in Betracht, das ist der gewölbte Gang, welcher den (viereckigen) inneren Hof umgab und gegen diesen sich mit auf Säulen oder Pfeilern ruhenden Bogen öffnete. Diese Kreuzgänge sind oft von höchst malerischer Wirkung. Später wurden auch die Innenräume, der Versammlungssaal (Kapitelsaal), der Speisesaal (Refektorium) und der gemeinschaftliche Schlafsaal (Dormitorium) baulich schmuckhaft gestaltet.

Weltliche Bauten. Von rein weltlichen Bauten sind - namentlich was Deutschland anbelangt - nur die Burgen und Pfalzen baukünstlerisch bemerkenswert, da in diesem Zeitraume die Städte noch ziemlich bescheiden waren und auch in diesen die Holzbauten vorherrschten. (In Italien findet man einige städtische Paläste aus dem 12. bis 13. Jahrhundert, z. B. in Venedig: Fondaco de' Turchi, jetzt gänzlich erneuert, Palazzo Farsetti und Loredan, Ca da Mosto, Corte del Remer). Die meisten Burgen dieser Zeit sind freilich zerfallen oder durch spätere Um- und Zubauten verändert worden. So liegt die von Kaiser Friedrich Barbarossa erbaute Pfalz in Gelnhausen (1170) in Trümmern, sie war wohl eines der prächtigsten Werke deutscher Baukunst; am besten erhalten sind die Wartburg bei Eisenach und die Kaiserpfalz zu Goslar.

Erwähnung verdient noch das Vorkommen von Rundbauten mit Kuppeln in Frankreich, sowohl im Norden wie im Süden. Man hat mehrfach dieselben auf alte römische oder gar keltische Tempel zurückführen wollen, indessen läßt sich bei den meisten als Entstehungszeit das 11. bis 13. Jahrhundert nachweisen. Anregung zu dieser Bauform mögen einerseits altchristliche Kirchen, andrerseits (seit den Kreuzzügen) die Grabkirche in Jerusalem gegeben haben. Letzteres ist der Fall namentlich bei den Kirchen des Ordens der Tempelherren, der im 13. Jahrhundert große Besitzungen in Frankreich hatte.

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Aeußere Einflüsse. Die vorhin geschilderte Ausgestaltung des romanischen Stiles ist zum Teil auch dem Einflusse zuzuschreiben, welchen die Kreuzzüge (1096-1270) auf das ganze europäische Leben ausübten. Die Teilnahme der Ritterschaft der verschiedenen Länder

^[Abb.: Fig. 252. S. Zeno in Verona.]