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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Germanische Kunst

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Germanische Kunst.

Heilige Kapelle zu Paris. Das zierlichste Gebäude französischer Gotik ist die zur Zeit Ludwig des Heiligen entstandene Schloßkapelle zu Paris. Die Abbildung Fig. 283 veranschaulicht die Gliederung von Chor- und Seitenwand, die durch einfache abgestufte und mit Spitztürmchen bekrönte Strebepfeiler bewirkt wird. Die Fenster sind (wohl das früheste Beispiel dieser Art) mit Spitzgiebeln geschmückt. Aeußerst zierlich ist der Dachreiter gebildet, der fast nur aus schlanken Streben und leichtem Maßwerk besteht. Der Bau wurde im Jahre 1843 begonnen und war schon nach acht Jahren vollendet.

Hotel Cluny zu Paris. Die in Fig. 284 und 285 gegebenen Einzelheiten von dem Hotel Cluny zu Paris sollen die Anwendung der kirchlichen Bauformen an weltlichen Bauten zeigen. Der Gedanke des Aufstrebens konnte bei letzteren naturgemäß nicht in dem Maße zum Ausdruck kommen, wie bei Kirchen. Die meisten Formen verlieren deshalb ihre Beziehung zur Baufügung und damit ihre eigentliche Bedeutung, sie werden nur zur Gliederung oder Belebung der Flächen benutzt. Die Thür (Fig. 285) zeigt sogar eine völlige Umwandlung der üblichen Umrahmung.

Hauptkirche zu Antwerpen. Jakobskirche zu Lüttich. Als Beispiele der gotischen Baukunst in den Niederlanden folgen in den Abbildungen Fig. 286-288 drei ihrer hervorragendsten Werke. Die Hauptkirche zu Antwerpen (1352 begonnen) ist der größte gotische Kirchenbau der Niederlande. Während das siebenschiffige Innere von großer Schönheit ist, steht das in Fig. 286 abgebildete Aeußere hinter den bedeutenderen französischen und deutschen Werken zurück. Die Türme sind zu massig und erdrücken fast das Mittelschiff, auch erscheinen die Formen mehr zusammengesucht als frei für den besonderen Zweck erfunden. Begonnen wurde der Bau 1352 mit der Anlage des Chores, doch konnte erst 1422 die Schauseite angefangen werden, der linke Turm erhielt erst im sechzehnten Jahrhundert durch die unschöne Spitze seinen Abschluß. Die Jakobskirche zu Lüttich (Fig. 287) ist weniger des gefälligen Reizes der Formen wegen, als deshalb bemerkenswert, weil sie die Einwirkung der Renaissance auf die Gotik erkennen läßt und diese somit auf ihrer letzten Entwicklungsstufe zeigt.

Rathaus zu Löwen. Für die mannigfachen Mängel der niederländischen Kirchenbauten entschädigt die Schönheit der weltlichen, als deren vorzüglichstes Beispiel ich in Fig. 288 das Rathaus zu Löwen gebe. Die von den kirchlichen Bauten herübergenommenen Formen sind sehr glücklich den bürgerlichen Bedürfnissen angepaßt, die überreiche Ausschmückung geht beinahe schon über das rechte Maß hinaus. Vier vorkragende Ecktürme und die Krönung des Giebels

Fig. 315. Der Dom zu Siena.