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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Germanische Kunst

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Germanische Kunst.

mal Philipp's ruht auf einem Sockel aus schwarzem Marmor der Steinsarg, welcher mit spitzbogigen Bogengängen aus weißem Marmor umzogen ist. Unter diesen bewegt sich ein Zug von 40 Trauernden, zierliche Gestalten aus weißem Alabaster, bei denen die Mannigfaltigkeit der Bewegungen und des Ausdruckes der Trauer ebenso bewundernswert ist, wie die Lebenstreue, welche auch das Bildnis Philipp's selbst auszeichnet.

England. Hier wurde die Bildnerei noch im 12. Jahrhundert wenig geübt, und was geschaffen wurde, erscheint ziemlich schwerfällig und roh. Um die Mitte des 13. Jahrhunderts trat infolge Berufung französischer Künstler eine jähe Wendung ein. Die Bildnerei wurde nunmehr mit Vorliebe zum Schmuck der Bauwerke verwendet und zwar zog man hierfür die Flachbildwerke vor. Der letztere Umstand gab der englischen Bildnerei die Richtung auf das Feine und Zierliche; während eine zweite Hauptaufgabe derselben, die Herstellung von Grabdenkmälern mit den Ebenbildern der Verstorbenen den Zug nach Naturwahrheit begünstigte. Eine Eigentümlichkeit der englischen Grabsteinbildwerke des 13. Jahrhunderts ist die häufige Darstellung der Gestalten in schreitender Bewegung, welche durch Kreuzung der Beine ausgedrückt ist. Die französischen Einflüsse treten bei den Werken im ersten Viertel des 13. Jahrhunderts noch stark hervor, bald aber entwickelten sich auch die heimischen Künstler und damit jene eigen-englische Kunstweise, deren Stärke in den kleinen Schmuckarbeiten lag; insbesondere meisterhaft ist die Bildung der Köpfe an den Figürchen, mit denen Säulenknäufe, Gewölb-Zwickel, Bogenstellungen u. s. w. geziert wurden. Die englische Bildnerei tritt mit ihrer anmutigen Zierlichkeit in einen Gegensatz zu der Bauweise, welche mehr trocken verständig ist; sie schlägt eben hier zu Lande bereits ihre eigenen Wege ein und erscheint als eine selbständige Schmuckkunst. Ihre Blütezeit fällt in die Mitte des 14. Jahrhunderts, dann trat ein rascher Verfall ein; die Gestalten werden entweder steif oder übertrieben weichlich, also leblos gebildet, das Geradlinige wird wie in der Baukunst bevorzugt, man will die Wirklichkeit nachbilden und verliert dabei das Gefühl für Schönheit. Diese Wandlung zeigt

^[Abb.: Das jüngste Gericht.

Dom zu Bamberg. Flachbild im Bogenfeld des Südportales.]