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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Zeit der "Renaissance"

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Die Zeit der "Renaissance".

Mittelspersonen beeinflußt und verändert war. Die Macht dieser Ueberlieferung mußte erst durch "Kritik" - die sachliche Prüfung auf die Wahrheit hin - gebrochen werden, die wieder die Befreiung von dem unbedingten "Autoritätsglauben" zu ihrer Voraussetzung hat. Diesen hatte in erster Linie die Kirche zum leitenden Grundsatz gemacht und daher steht das Aufkommen der Kritik im engsten Zusammenhang mit der Erschütterung der kirchlichen Machtstellung.

Naturbetrachtung. Auch die Rückkehr zur Natur, besser gesagt: die Würdigung der sinnlichen Welt, war nur möglich bei einem Bruche mit der von der Kirche vertretenen Anschauung, daß alles Sinnliche durch die Sünde verderbt, ein verwerfliches Uebel sei und nur das Uebersinnliche wahr, gut und schön sein könne.

Allgemeine Zustände seit dem 14. Jahrhundert. - Die Kirche. Zum Verständnis der Grundlage, auf welcher sich die weitere Kunstentwicklung vollzog, ist es notwendig, die allgemeinen Zustände kurz zu kennzeichnen.

Um die Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert hatte die religiöse Begeisterung ihre stärkste Machtentfaltung erreicht, sie erfüllte alle Gemüter, bestimmte alle Handlungen. In den Kreuzzügen - deren letzter in das Jahr 1270 fällt - fand sie ihren deutlichsten Ausdruck. Sie hatte die Allmacht der römischen Kirche begründet, welche nicht nur das geistige, sondern auch das staatliche Leben beherrschte. Diese Herrschaft stützte in der überwiegenden Mehrheit des Volkes das rein Religiöse, der Glaube; die denkenden Geister sollte die scholastische Philosophie in Bann halten. Hier setzte nun die Gegenströmung ein; schon Kaiser Friedrich II. (1212-1250) steht der Kirche feindlich - bis zum Unglauben - gegenüber.

Gefährlichere Folgen, als die geistige Auflehnung Einzelner, hatte jedoch die Verweltlichung der Kirche, welche durch die politische Machtstellung, die Einmischung in alle weltlichen Angelegenheiten, hervorgerufen wurde. Das Papsttum hatte sich von der durch Karl den Großen begründeten Schirmvogtei des Kaisers befreit und dessen Macht völlig gebrochen,

^[Abb.: Fig. 402. Brunellesco: Palazzo Pitti.

Florenz.]