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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Zeit der "Renaissance"

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Die Zeit der "Renaissance".

dafür geriet es in die Abhängigkeit von dem französischen Königtum. Der Verlegung des päpstlichen Sitzes nach Avignon (1305-1378) folgte die Zeit der Kirchenspaltung (1378 bis 1415), in welcher zwei, ja drei Päpste gleichzeitig herrschten und einander in den Bann thaten. Niemand wußte, wer der rechte Papst, der wahre Hirt der Kirche sei.

In dieser Wirrnis hielt zwar das rein Religiöse, der fromme Glaube, der breiten Volksmassen Stand, jedoch die Achtung vor der Kirche sank, zumal auch in der Priesterschaft Zuchtlosigkeit einriß. In weiten Kreisen aber riefen diese Zustände Strömungen hervor, welche die kirchliche Macht noch gründlicher erschütterten: einerseits eine bis zum Krankhaften gesteigerte religiöse Schwärmerei, andererseits Unglauben sind die äußersten Grenzen, zwischen welchen die Geister schwankten, und in abgeschwächter Form, aber stärkerer Verbreitung, erscheinen dann diese Gegensätze als Aberglauben und Gleichgültigkeit gegen die Religion.

In letzterer Hinsicht waren allerdings schon im 12. und 13. Jahrhundert die Zustände keineswegs tadellos gewesen, und insbesondere in Sachen der "geschlechtlichen Sittlichkeit" hatte man sehr freien Anschauungen gehuldigt. Der "ritterliche Minnedienst" war weit weniger "ideal", als mancher sich vorstellen mag.

Die Auflösung der Zucht hatte aber doch wieder eine gute Folge: die stärkere und freiere Entwicklung des Persönlichen; der Einzelne trat mehr aus der Menge hervor, konnte seine Eigenheiten schärfer zur Geltung bringen. In dieser Zeit konnte nur der Starke seinen Platz in der Sonne behaupten, und dies zwang jeden, seine Kräfte auszubilden und zu steigern.

Reformation und Humanismus. Auf dem Boden dieser Verhältnisse keimten zwei geistige Bewegungen, welche von nachhaltiger Bedeutung für die ganze Folgezeit wurden. Das im Volke vorhandene reinreligiöse Gefühl führte zur Kirchenerneuerung, "Reformation", worunter jedoch nicht allein die Spaltung der katholischen Kirche, sondern auch die Erneuerung der kirchlichen Zucht in dieser selbst - durch das Tridentinische Konzil - zu verstehen ist. - Früher jedoch trat in Erscheinung jene andere Be-^[folgende Seite]

^[Abb.: Fig. 403. Michelozzi: Hof des Palastes Riccardi.

Florenz.]

^[Abb.: Fig. 404. Alberti: Palazzo Rucellai.

Florenz.]