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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Zeit der "Renaissance"

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Die Zeit der "Renaissance".

wegung, welche man "Humanismus" zu nennen pflegt. Sie war eine mehr unmittelbare Folge der geschilderten Zustände, blieb aber auch beschränkt auf den kleineren Kreis der Gesellschaft, welcher die sogenannten "Gebildeten" umfaßte.

Der innerste und letzte Kern der humanistischen Anschauung besteht darin, daß sie in dem ganzen Menschen eine geschlossene Einheit von Sinnlichem und Uebersinnlichem sieht, und nicht blos die Seele - wie die alte kirchliche Lehre - als Ausfluß des Göttlichen erkennt. Die Auffassung, daß dieser "ganze Mensch" das Maß aller Dinge sei, war im Grunde die "heidnische" der antiken Welt, und sie kam daher auf, als man sich mit dieser eingehend zu beschäftigen anfing. Gewöhnlich wird denn auch mit Rücksicht auf die Art, wie sich der Humanismus nach Außen kundgab, der Begriff desselben in beschränkter und oberflächlicher Weise als Wiederbelebung der klassischen Studien und Nachahmung des antiken Lebens aufgefaßt. Ersteres ist jedoch Ursache, letzteres Erscheinungsform.

Beschäftigung mit der Antike. Jene eingehende Beschäftigung mit dem Altertum begann in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, und wurde am stärksten gefördert durch die Aufnahme von Griechen in Italien, welche vor und nach dem Zusammenbruch des byzantinischen Reichs (1453) zahlreich herüberkamen. Die Kenntnis der griechischen Sprache, in welcher ja die grundlegenden philosophischen Werke abgefaßt waren, verbreitete sich und man konnte die letzteren nun in der Urschrift lesen. Die größere Vertrautheit mit den Verhältnissen des Altertums erzeugte sodann eine Begeisterung für die damaligen Staatsformen und für die gesellschaftlichen Zustände, so daß man sie als Vorbilder betrachtete, die nachzuahmen seien. Die Gebildeten bemühten sich, in "klassischem Latein" zu sprechen und zu schreiben, gaben sich antike Namen und ahmten die Sitten der Alten nach. Durch die Gründung von Bibliotheken und Akademien wurden diese Bestrebungen gefördert, welche ihrer ganzen Natur nach freilich auf die gelehrten Kreise beschränkt bleiben mußten und nicht volkstümlich werden konnten. Die "klassische Philologie" (Sprachwissenschaft) und das humanistische Gymnasium sind die Früchte von ehrwürdiger Dauerhaftigkeit, die aus den Keimen jener Zeit entstanden. Diese gelehrte Richtung rief aber bald auch eine Gegenströmung hervor, welche auf die Pflege der Volkssprache und heimischen Dichtung drang.

Verhältnis der Humanisten zum Christentum. Die Humanisten blieben jedoch

^[Abb.: Fig. 405. Alberti: San Francesco.

Rimini.]

^[Abb.: Fig. 406. Alberti: San Andrea.

Mantua.]