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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Zeit der "Renaissance"

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Die Zeit der "Renaissance".

trotz dieser antiken Anwandlungen auf dem Boden des Christentums und anerkannten die Autorität der Offenbarung. Die Kirche und namentlich die Priesterschaft wurden freilich oft in derbster Weise verspottet, und schlimmer noch als die Zügellosigkeit der Sprache war jene der Sitten, durch welche viele sich hervorthaten. Doch daran nahm damals auch die Kirche keinen Anstoß und wir finden nicht nur viele Humanisten in kirchlichen Diensten, sondern unter den Päpsten selbst eifrige Förderer der ganzen Bewegung.

Wenn diese nun auch hauptsächlich mit jenen Wissenschaften sich beschäftigte, die mit dem Schrifttum und der Philosophie zusammenhängen, so kam sie doch auch den Naturwissenschaften zu gute. Die allgemein regere wissenschaftliche Thätigkeit gab sich auch auf deren Gebiete kund, veranlaßte Forschungen und überhaupt eine genauere Beobachtung der Natur.

Veränderungen auf politisch-wirtschaftlichem Gebiete. Mit dem Umschwunge auf dem geistigen Gebiete, welcher eine neue Weltanschauung vorbereitete, verliefen gleichzeitig auch starke Veränderungen der staatlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zustände. Es erfolgt die Auflösung des Lehens-Staates, das Bürgertum gelangt zu einflußreicher Machtstellung, Handel und Gewerbe werden für die Volkswirtschaft entscheidend, und damit vollzieht sich auch der Uebergang von der Naturalwirtschaft zur Geldwirtschaft.

Im alten germanischen Volksstaate lag die politische Macht bei der Gesamtheit der Freien, der König war nur Führer und Vertreter; dann hatte dieser allmählich alle Macht an sich gezogen, die daraus sich ergebenden Rechte an seine Dienstleute (Vasallen) vergeben, welche dafür ihm zur Gefolgschaft und unbedingten Treue verpflichtet sein sollten. Diese ausgeklügelte Staatsordnung versagte jedoch, da die Dienstleute im Besitz der Machtmittel ihrer Pflicht gegen das Königtum sich zu entledigen strebten und letzteres in Abhängigkeit von ihnen brachten. In langen und schweren Kämpfen bricht dieses endlich die Macht der Vasallen und begründet seine unumschränkte Machtstellung.

Der Verlauf dieser Entwicklung war in den einzelnen Volks- und Staatsgebieten verschieden. Am raschesten und vollständigsten kam in Frankreich das Königtum zu seinem Ziele: unter Ludwig XI. (1461-83) ist dessen unumschränkte Herrschaft fest begründet und damit auch der volkliche Einheitsstaat. In England war durch die Thronkämpfe (Krieg zwischen der roten

^[Abb.: Fig. 407. Alberti: Hauptthüre von St. Maria Novella.

Florenz.]

^[Abb.: Fig. 408. Rosselino (?): Palazzo Piccolomini.

Siena.]