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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Zeit der "Renaissance"

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Die Zeit der "Renaissance".

Vignola. Zu diesem Kreise von "Theoretikern", bei denen das Lehrhafte und Berechnende die freie Erfindungsgabe einengte, gehört vor allem Giacomo Barozzi, genannt Vignola (1507-1573), der auch als Verfasser größerer Lehrbücher von Bedeutung ist. Von Julius III. war er mit dem Bau der Villa des Papstes, die "Vigna di Papa Giulio" betraut worden. Vignola war hier jedoch mehr Ausführer, als selbständiger Erfinder, da der Plan wahrscheinlich vom Papste selbst mit Benutzung von Gedanken Bramantes, Rafaels u. a. entworfen wurde. Von bedeutenderen eigenen Bauten ist das Schloß Caprarola bei Viterbo zu nennen (Fig. 426) und in Rom die Kirche "del Gesu", welche für eine ganze Reihe von Kirchenbauten vorbildlich wurde (Fig. 427). Vignola kann als der hauptsächlichste Vermittler der Kunstweise Michelangelos betrachtet werden, da er, abgesehen von seinen Schriften, in den Bauwerken allgemeinverständlicher war, als der Hauptmeister selbst. Der kleinere Geist ist eben leichter zu erfassen als der große, und kann daher auch eher Schule machen.

Für Vignola war ausschließlich die Antike maßgebend und vor allem der römische Baumeister und Schriftsteller Vitruvius, auf dessen Schriften auch sein eigenes Lehrbuch fußte. Er hatte für das Verhältnis der einzelnen Bauglieder zu einander aus den Werken der Antike bestimmte Verhältniszahlen herausgerechnet und diese zu Regeln verwendet. Das Grundmaß war der Durchmesser eines unteren Säulenschaftes, daher denn auch für die ganze Einteilung der Baukunst die fünf Säulenordnungen (dorisch, jonisch, korinthisch, römisch, etruskisch oder toskanisch) maßgebend sind. Während Vignolas Vorgänger die Verhältnisse nach ihrem eigenen künstlerischen Gefühl regelten, hält er sich ausschließlich an das "ausgerechnete Gesetz". Dieser Mangel an künstlerischer Freiheit, die völlige Unterordnung unter die verstandesmäßige Rechenkunst prägt sich auch in den Werken Vignolas aus, welche oft ziemlich nüchtern und schwunglos erscheinen, obwohl die Einzelheiten von

^[Abb.: Fig. 446. Andrea della Robbia: Wickelkind.

Florenz. Kinderspital.]

^[Abb.: Fig. 447. Andrea della Robbia: Die Heimsuchung.

Pistoja. S. Giovanni.]