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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Zeit der "Renaissance"

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Die Zeit der "Renaissance".

tieften Bogennischen die Fenster, die spitzbogig abschließen; im Obergeschoß sind die Fenster rechteckig und abwechselnd mit geraden und gebogenen Giebeln gekrönt. Die Wandpfeiler, welche zwischen den Fensterreihen eingeordnet sind, haben korinthisches Kapitäl. Friese und Rundrahmen (Medaillons) sind mit Flachbildwerken, die Nischen mit Standbildern geschmückt. Diese Fülle bildnerischen Schmuckes und die Ebenmäßigkeit der baulichen Verhältnisse stehen in lebendiger Wechselwirkung und bedingen den hohen Reiz des Ganzen. - Unter Lescots Oberleitung wurde noch die zu dem südlichen Palastbau gehörige (66 m lange 9½ m breite) "kleine Galerie" (jetzt Galerie d'Apollon) erbaut und mit dem Bau der an letztere anschließenden "großen Galerie" begonnen, welche auf 400 m Länge sich erstreckt. Die Vollendung dieser Bauten erfolgte unter Heinrich IV. durch Louis Métezeau. - Ludwig XIII. beschloß den alten Louvre auf das Vierfache seiner ursprünglichen Größe zu erweitern, und ließ zunächst den nördlichen Teil des westlichen Flügels - anstoßend an den von Lescot erbauten Teil - von Jaques Lemercier ausführen. Der Nord- und Ostflügel wurden endlich unter Ludwig XIV. von Louis Levau und Claude Perrault ausgeführt. (Auch die 1661 abgebrannte Galerie d'Apollon wurde wiederhergestellt.) Der Ostflügel enthält eine Anordnung von 28 gekuppelten korinthischen Säulen, welche großartig wirkt, aber mit den älteren Teilen nicht mehr im Einklang steht. Der Bau des alten Louvre war 1674 im wesentlichen abgeschlossen, wurde jedoch in der Folgezeit vernachlässigt, da die Könige lieber in Versailles Hof hielten. Erst Napoleon I. widmete dem Schlosse wieder größere Teilnahme und ließ eine gründliche Erneuerung vornehmen, auch mit der nördlichen Verbindungsgalerie zwischen Tuilerien und Louvre beginnen. Der völlige Ausbau zu der jetzigen Gestalt erfolgte jedoch erst unter Napoleon III. (1852-68).

Aus dieser Baugeschichte ersieht man, daß der Louvre in der That die ganze Entwicklung des französischen Renaissancestiles bis in die neueste Zeit erkennen läßt und man in den einzelnen Teilen die Wandlungen des Geschmackes und der Auffassung verfolgen kann. Die feine Zierlichkeit und Ebenmäßigkeit der ältesten Teile wird im 17. Jahrhundert durch eine mehr aufdringliche Prunkhaftigkeit und Ueberladung ersetzt, und im 19. Jahrhundert nimmt diese Schwerfälligkeit noch zu.

Die von Lescot im Louvre ausgebildete Bauweise blieb auch für andere Schloßbauten vorbildlich. Ihre Grundzüge kamen auch bei dem, 1564 von Philibert Delorme begonnenen Tuilerien-Schlosse in Anwendung, welches an Pracht den Louvre noch übertreffen sollte. Doch zeigte sich dabei bereits die beginnende Entartung; die Verhältnisse sind nicht mehr so klar und ebenmäßig und schwerfällige Ueberladung tritt ein. Bemerkenswert waren jedoch die Rustika-Säulen, welche Delorme einführte ("französische Ordnung"), und, soweit es die ganze Art dieser Gestaltung zuläßt, auch mit hohem Schönheitsgefühl ausbildete.

^[Abb.: Fig. 499. Louvre. Thor Jean Goujon.]