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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Malerei des 16. Jahrhunderts

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Die Malerei des 16. Jahrhunderts.

Eindruck, den diese Worte auf die Jünger machen. Alle Abstufungen der Empfindungen: Schrecken, Erstaunen, Befangenheit und Schuldbewußtsein spiegeln sich in den Gesichtern wieder und werden durch die lebhaften Geberden, durch die Haltung und Bewegung der ganzen Körper verdeutlicht. Die Anordnung der Sitzenden, die ungezwungene Sonderung in Gruppen zu dreien und das Zusammenstimmen derselben zu einer Hauptgruppe, mit dem Heiland als Mittelpunkt, ist vollendet gelungen. Auf die Feinheiten in der Kennzeichnung der Einzelnen läßt sich nicht näher eingehen, da ich die Worte nicht durch ein großes und deutliches Bild erläutern kann. Ich weise nur noch auf Judas hin, dessen Zurückfahren und Handhaltung die Frage andeuten: "Woher weißt Du mein Geheimnis."

Die Kunst des schönen Aufbaus zeigen die Bilder Lionardos in hohem Maße; sie tritt besonders hervor bei der "Madonna in der Felshöhle", wie bei der "heiligen Anna selbdritt". Wenn selbst Raphael in dem Aufbau seiner Frühwerke auf Lionardos Vorbild zurückgreift, so ist dies ein Zeichen dafür, das man in letzterem bereits eine Art "Kunstregel" zu sehen begann. Der Anordnung liegt das gleichschenklige Dreieck zu Grunde, d. h. die Gestalten lassen sich in diese Figur einschließen. Dadurch wird ein Zusammenhalten der Massen erzielt, das Bild wird einheitlich, indem alles Wichtige auf einen engen

^[Abb.: Fig. 511. Lionardo: Die hl. Anna selbdritt.

Paris, Louvre.]