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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Malerei des 16. Jahrhunderts

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Die Malerei des 16. Jahrhunderts.

sondern vielmehr noch jene zwischen deutschem und italienischem Wesen kennzeichnen. Die gedankliche Auffassung ist bei beiden großartig, aber doch jeweils von anderer Art, weil sie durch das Volkstum bestimmt wird, in welchem die künstlerischen Persönlichkeiten wurzeln. Dürer ist "deutsch" durch und durch, der einfache, schlichte Bürger, voll Gemütstiefe und gläubiger Hingebung, dem das "Ergreifende" in den religiösen Dingen die Hauptsache ist, Raphael ist der humanistisch gebildete, mit fürstlich vornehmer Art vertraute Mann, der im Himmlischen nur das Urbildlich-Schöne und Erhabene sucht. Darum sind auch Dürers Gestalten weit mehr wirklichkeitstreu, jene Raphaels verklärt gebildet.

Im übrigen zeigt Dürer in diesem Gemälde die volle Befreiung nicht nur von allen fremden Einflüssen, sondern auch von jenem des eigenen zeichnerischen Stiles; das heißt, die Zeichnung tritt in den Hintergrund und das rein Malerische kommt zur herrschenden Geltung. Dies prägt sich in der Bildung der Körper, in der freien Bewegung der Geberden, wie auch in der Linienführung der Gewandung aus, vor allem aber in der ebenmäßig schönen Anordnung, die von unvergleichlicher Wirkung ist.

Dürer hatte jetzt die Höhe der Kunst erreicht; nicht mehr auf dem Zeichnerischen lag das Schwergewicht, sondern das Malerische tritt bestimmend hervor. Leider war es ihm nicht vergönnt, gleichwie seine italienischen Zeitgenossen, als "Farbenkünstler" große Werke

^[Abb.: Fig. 575. Dürer: Johannes, Petrus, Paulus und Markus.

München. Pinakothek.]