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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Malerei des 16. Jahrhunderts

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Die Malerei des 16. Jahrhunderts.

zu schaffen. Wie Raphael durch den Papst von dem eigentlichen Felde seiner Kunst durch allerlei Aufträge abgezogen wurde, so erging es Dürer, als im Jahre 1512 er mit Kaiser Maximilian in Verbindung trat. Der Herrscher des "heiligen römischen Reiches deutscher Nation" war zwar kunstsinnig, aber nicht in der glücklichen Lage wie der Papst, über reiche Mittel zu verfügen. Er konnte dem "deutschen Raphael" nicht große Gemälde in Auftrag geben, sondern nur Holzschnitte. So mußte Dürer wieder zum Zeichenstift greifen, und dazu kam noch, daß er bei diesen Arbeiten für den Kaiser nicht seinen eigenen Gedanken frei folgen durfte, sondern die Vorwürfe ausführen sollte, welche ihm angegeben wurden. Es sind drei Werke, welche Dürer für Maximilian in der Zeit von 1512-19 zu liefern hatte: des "Kaisers Ehrenpforte" (92 Holzschnittblätter), des "Kaisers Triumphwagen" (unvollendet) und den "Buchschmuck zu einem Gebetbuche", letzteren gemeinschaftlich mit einer Anzahl anderer Meister.

In diesen Holzschnitten vermochte Dürer nur seine vollendete zeichnerische Kunstfertigkeit, nicht aber seinen eigenen künstlerischen Geist zu bethätigen, und so liegt der Wert dieser Arbeit nur in der meisterhaft behandelten schönen Formgestaltung sowie in dem nie versiegenden Quell der Einbildungskraft, welche immer neue Formenspiele erfand. Nur ab und zu fand der Künstler noch Muße zu Gemäldearbeiten; es sind meist Ebenbildnisse, die aus dieser Zeit stammen. Daß Dürer aber auch das Bedürfnis fühlte, einmal etwas "anderes" zu malen, bezeugt die "Lucretia" (1518), mit welcher er wohl seine italienischen Erinnerungen auffrischen wollte. Das Bild ist allerdings mehr als eine "Studie" zu betrachten, erscheint jedoch deshalb bemerkenswert, weil es zeigt, wie Dürer sich mit derartigen weltlichen Stoffen abfand. Dem unermüdlich strebenden Künstlergeiste Dürers waren die Verhältnisse zu enge geworden, er mochte befürchten, daß er unter dem Zwange der "Arbeiten", mit denen er

^[Abb.: Fig. 572. Burgkmair: Esther.

München. Pinakothek (Photographie Bruckmann).]