Schnellsuche:

Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts

598

Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts.

Zustände des 17. und 18. Jahrhunderts. Eine kurze Schilderung der Zustände dieser Zeit muß ich wohl zum Verständnis hier einflechten und dabei auf das 16. Jahrhundert zurückgreifen. In den Jahren 1520-1530 sind die für die neue Zeit maßgebenden Erscheinungen bereits deutlich zu Tage getreten: die Umwälzungen im Welthandel, die Auflösung der mittelalterlichen Staatsordnung, vor allem aber die religiöse Bewegung der Reformation, welche hauptsächlich alle weiteren Folgezustände in ganz Europa beeinflußt. Schlimm gestalten sich die Dinge für Deutschland. Der Reichsverband ist fast bis zur Auflösung gelockert, der deutsche Kaiser hat rechtlich kaum mehr eine Gewalt, nur eine Würde, denn die Reichsfürsten gewinnen eine immer größere Selbständigkeit und Unabhängigkeit. Nur mit diplomatischen Künsten oder mit bewaffneter Gewalt kann das Reichsoberhaupt seinen Einfluß aufrecht erhalten. Die Kaiserwürde bleibt dem Hause Habsburg; dessen eigene Länder werden zwar unter schweren inneren Kämpfen zu einem "Staatswesen", Oesterreich, zusammengeschlossen, aber die Kraft desselben wird durch die Kriege aufgebraucht. Oesterreich hat namentlich den Ansturm der Osmanen auszuhalten, und die Ostmarken leiden schwer unter der Türkennot. Die Bemühungen, einen Ausgleich zwischen den durch die Reformation geschaffenen Gegensätzen herbeizuführen, sind ergebnislos. Jene verschärfen sich vielmehr, und (1618) bricht jener Sturm los, welcher als dreißigjähriger Krieg Deutschland verheert, entvölkert und politisch ohnmächtig macht. Der Wohlstand des Volkes, der ehemals so blühende deutsche Handel sind vernichtet, die Kultur gesunken oder doch zum Stillstand gebracht. Gewonnen haben nur die "Fürsten", insofern sie unumschränkte Herren und Gebieter in ihren Landen geworden sind, während die "Stände", d. h. die nach der mittelalterlichen Staatsordnung politisch Bevorrechteten, ihren Einfluß verloren haben. Man mag nun freilich darin eine Vernichtung des Rechtes des Volkes erblicken, wenn man die "Stände" als eine Volksvertretung auffaßt; in der That handelte es sich aber nur um politische Rechte verhältnismäßig kleiner Kreise, welche selbstsüchtig und kurzsichtig nur ihre eigenen Interessen verfolgten. Die unumschränkte Landeshoheit - der "Absolutismus" - kam vielmehr den Interessen der großen Volksmasse und der inneren Kraft der Staatswesen zu gute. Die Zusammenfassung der ganzen staatlichen Gewalt in einer Hand und die Einrichtung einer nur von derselben abhängigen, durch verantwortliche Beamte gehandhabten, geordneten Verwaltung war gewissermaßen eine Notwendigkeit geworden, um eine völlige Auflösung des ganzen gesellschaftlichen Verbandes zu verhindern. Selbstverständlich hing es jetzt in erster Linie von der Persönlichkeit der Fürsten ab, wie sich jeweils die Lage des Volkes und die Kultur in diesen kleinen Staatswesen günstiger oder ungünstiger gestaltete.

Es wechselten daher vielfach die Zustände, es trat bald das eine, bald das andere dieser Staatsgebilde politisch und in der Kultur mehr hervor. Die kräftigste Entwickelung in Ausnutzung der oben erwähnten Verhältnisse fand in dem Länderbesitz der Kurfürsten von Brandenburg statt, welcher seit 1701 als Königreich Preußen erscheint, das mit Ausdauer und Geschick auf das Ziel hingeleitet wird, die Vormacht Deutschlands zu werden. Im siebenjährigen Krieg sichert Preußen sich den Weg zu diesem Ziele und bahnt die Verlegung des politischen Schwerpunkts Deutschlands von Süden nach dem Norden an.

Die Rückwirkung dieser Verhältnisse auf die Kunst giebt sich in mannigfacher Weise kund. Die Verarmung der großen Volksmasse, insbesondere des Bürgerstandes, zwingt auch zu einer bescheidenen Lebensweise und zum Verzicht auf künstlerische Ausschmückung des Heims und der Geräte, abgesehen davon, daß bei der Verwilderung der Sitten infolge der Kriege auch der "Geschmack" verrohte. Der landsässige Adel hat seine Bedeutung gleichfalls verloren; wer etwas gelten will, zieht an den Sitz des Hofes. Die Fürsten allein sind in der Lage, die Kunst zu pflegen.

Bei diesen regierenden Herren - deren Zahl bekanntlich groß war, nach dem westfälischen Frieden gab es deren rund 270, außerdem noch 55 Reichsstädte - entwickelte sich allerdings eine starke Prachtliebe, die aber nicht immer mit künstlerischem Geschmack gepaart war. Als Vorbild galt der französische Hof, und demnach folgte man