Schnellsuche:

Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts

597

Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts.

Vorbemerkung. Es ist nicht herkömmlich, die Zeit des sogenannten Barockstiles als einen Hauptabschnitt in der Entwicklungsgeschichte der Künste zu betrachten, gewöhnlich wird sie nur als eine Unterabteilung der Renaissance aufgefaßt, oder genauer gesagt, als jene Zeit, in welcher die Kunstweise der Renaissance "entartete". Nun ist es allerdings richtig, daß der Barockstil auf jenem der Renaissance fußt und aus diesem heraus sich entwickelte, indem die strengeren und reineren Formen des letzteren verändert und umgestaltet wurden.

Einen solchen Zusammenhang mit dem Vorhergehenden finden wir aber bei jedem Zeitraum und jedem Stile; der "romanische" schloß sich an den altchristlichen und dieser an die Antike an, ja selbst die "Gotik", welche wohl die schärfst ausgeprägte Eigenart zeigt und gewissermaßen einen völligen Bruch mit dem vorgängigen romanischen Stil darstellt, entbehrt nicht der Beziehungen zu der Vorzeit.

Seit die hellenistische Kunst durch Alexander d. Gr. und durch die Römer zur weltbeherrschenden geworden war, behielt sie ihre Geltung als "Grundlage" für alle weitere Kunstentwicklung, und diese selbst erscheint als eine zusammenhängende. Es handelt sich nur darum, ob man sich von jener Grundlage der Antike mehr oder minder weit entfernt oder wieder zu ihr zurückkehrt. In der "Gotik" sehen wir die weiteste Entfernung, in der "Frührenaissance" die nächste Annäherung.

Die Zeit des Barockstils bedeutet nun wieder ein Verlassen der strengeren Grundsätze der Antike, und zwar geschieht dies in einem Maße, daß ein nicht geschultes Auge wohl kaum in den Werken der Barockzeit noch die antiken Grundzüge erkennen würde. Im übrigen kann ich mich auf das schon bei den früheren Abschnitten über die Abgrenzung der Zeiträume Gesagte beziehen. Auch die Grenzen zwischen Renaissance und Barock fließen ineinander; in den verschiedenen Volksgebieten vollzieht sich die Entwicklung nicht gleichzeitig, und vor allem muß bemerkt werden, daß die Malerei ihre eigenen Wege geht. Streng genommen kann man von einem Barockstil nur sprechen hinsichtlich der Baukunst, in etwas minderem Maße auch bei der Bildnerei - die stets in innigerer Verbindung mit dem Bauwesen steht -, während auf die Kunstweise der Malerei diese Bezeichnung wohl nicht anwendbar erscheint.

Richtiger ist es nach meiner Ansicht, wenn man die zwei Jahrhunderte von ungefähr 1580 bis etwa 1780 als einen hinsichtlich der Kunstentwickelung in sich abgeschlossenen Zeitraum betrachtet, in welchem verschiedene Strömungen und Richtungen sich geltend machen. Es ist die Zeit, in welcher die religiöse Bewegung der Reformation, die früher nur die Geister beschäftigte, nun auf staatlichem Gebiete in der einen oder anderen Weise zum Abschluß gebracht wird, ferner in den Staatswesen selbst mit den mittelalterlichen Einrichtungen völlig gebrochen wird und dann die politisch-gesellschaftliche Neuordnung sich vorbereitet. Die Eigenart dieser Zeit wird daher hauptsächlich durch "politische" Vorgänge bestimmt; Kriege und innere Wirren lassen die Völker nicht zu Ruhe kommen, und es ist daher begreiflich, daß für neue geistige Bewegungen und somit auch für einen namhaften Kulturfortschritt die Verhältnisse oft ungünstig sich gestalten mußten.