Schnellsuche:

Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts

687

Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts.

lang nach bildnerischen Formen gearbeitet, und eben so gut konnte die Bildnerei gewisse Züge der ersteren aufnehmen. Doch das richtige Maß sollte nicht überschritten werden. Gerade dies trat jedoch ein.

Auf zwei, in dem Geiste der ganzen Zeit, besser gesagt der maßgebenden Gesellschaftskreise, begründete Züge muß ich noch aufmerksam machen. Der eine ist das Hervortreten des Sinnlichen, das bis zum Lüsternen sich steigert. Wie in der Malerei jene Vorwürfe beliebt wurden, in welchen eine ausgelassene Sinnenlust sich kundgiebt, so auch in der Bildnerei. Man weiß ja, welche Sittenverderbnis im 17. Jahrhundert an gewissen Höfen herrschte und auch in die Gesellschaft drang. Dieser entsprach auch die Richtung der Kunst hinsichtlich der Stoffwahl. Beinahe mehr noch als in der Darstellung des Nackten tritt dieser Zug in den halbverhüllten Gestalten hervor, vor allem aber, wie gesagt, in den Vorwürfen und der ganzen Art und Weise, wie die Vorgänge dargestellt wurden. Selbst religiöse Bilder, die für Kirchen bestimmt waren, sind davon nicht frei. Es kommt in denselben selten noch innige, religiöse Empfindung, die Erhabenheit des Göttlichen und Heiligen zum Ausdruck, dafür liebt man es, Verzückungen und Martervorgänge darzustellen.

Der zweite Zug ist jener der oft geradezu maßlosen Prunkhaftigkeit. Erscheint hinsichtlich der Sinnlichkeit die weltliche Gesellschaft allein verantwortlich, so trug zu der Ausartung der Prachtliebe auch die Kirche bei, welche hierdurch auf die Masse wirken wollte.

Die Kunstfertigkeit wurde allerdings im höchsten Grade ausgebildet. Die Glätte und Sauberkeit in der Behandlung des Marmors - dem jetzt fast ausschließlich verwendeten Stoffe - verdient volle Anerkennung. Dabei leistet man auch allerlei Kunststücke; man weiß durchscheinende Gewandung, welche die Körperformen genau erkennen läßt, zu bilden oder eine ganze Gruppe in ein Netz zu hüllen und dergleichen mehr.

Berninis bildnerische Werke tragen bereits all' die genannten Züge an sich. Von den Häuptern der weltbeherrschenden Mächte seiner Zeit, den römischen Päpsten und dem französischen Könige (Ludwig XIV.) als "erster Künstler" gefeiert, wäre ihm schon aus diesem Grunde die Rolle des "tonangebenden Weltmeisters" zugefallen, auch wenn er nicht thatsächlich an Begabung seine Zeitgenossen überragt hätte. Die Hauptmenge seiner Arbeiten befindet sich in Rom; es sind darunter sowohl religiöse Darstellungen und Grabmäler, wie auch solche von weltlich-sinnlicher Art und Ebenbildnisse.

Er selbst hat als sein "bestes Werk" die Gruppe der heiligen Theresia in der Kirche S. Maria della Vittoria bezeichnet und somit als dasjenige, nach welchem man auch den "Geist" des Meisters, seine Anschauung von dem "Kunstziel" zu beurteilen habe.

Die Gruppe stellt die Heilige in seliger Verzückung dar; ein Engel entsendet den Pfeil der göttlichen

^[Abb.: Fig. 661. Kanzel im Dom zu Magdeburg.]