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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts

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Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts.

Malerei hatte deshalb im Cinquecento nur eine ziemlich untergeordnete Rolle gespielt und auch jetzt war es ein Fremder, der ihr zu Ansehen und Geltung verhalf. Der Spanier Jusepe de Ribera (1588-1652) genannt lo Spagnoletto, war nach Neapel (das damals der spanischen Krone gehörte) gekommen und hatte unschwer bald die einheimischen Zunftgenossen überflügelt. Die Annahme, daß er von Caravaggio, der nur kurze Zeit in Neapel geweilt hatte, erheblich beeinflußt worden sei, erscheint mir nicht zutreffend. In der älteren spanischen Schule finden wir auch die Neigung zur Naturwahrheit hervortreten, und Riberas Lehrer in der Heimat, Ribalta, hatte sich von dem "Idealismus" der Italiener auch schon ziemlich frei gemacht. Es dürfte daher richtiger anzunehmen sein, daß Ribera aus eigenem Antriebe sich der naturalistischen Richtung zuwandte, und die teilweise Uebereinstimmung mit Caravaggio eben eine zufällige oder vielmehr durch die Sachlage bedingte war. Zwischen Beiden ist der Unterschied größer als die Verwandtschaft. Ribera ist weniger hart und derb als Caravaggio, vor allem aber malerischer und wirkt mehr durch die scharfen Gegensätze in der kräftigen Farbengebung, als durch eine an das Bildnerische gemahnende Zeichnung. In der Wirklichkeitstreue giebt er dem Römer nichts nach, er bevorzugt aber doch das Schöne und verleugnet auch niemals gänzlich seine volkliche Auffassung; seine Madonnen stehen denen Murillos weit näher, als irgend einem italienischen Vorbild. Bezeichnend für seine Weise ist ein Zug von schwärmerischer Verzückung bei seinen Heiligengestalten; eine starke innere Leidenschaftlichkeit kommt stets zum

^[Abb.: Fig. 676. Tiepolo: Gastmahl der Cleopatra.

Venedig. Palazzo Labia.]