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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts

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Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts.

natürliche freie verdrängte, es gewissermaßen eine "Regel" wurde, daß in einem Bilde die Beleuchtung eine künstliche sein müsse.

In der Vaterstadt fand der junge Künstler nicht das entsprechende Verständnis für sein Streben, und so entschloß er sich 1631 nach Amsterdam zu übersiedeln, wo er auch eher Aufträge zu erhalten hoffen durfte. In der That bekam er bald nach seiner Ankunft einen solchen; es handelte sich um eine Bildnisgruppe von Aerzten, die Leiter der ärztlichen Gilde. Das Gemälde, das als "Anatomische Vorlesung des Professors Tulp" bezeichnet wird, ist ein Meisterstück in der Anordnung (Fig. 689). Rembrandt giebt einen lebendigen Vorgang, die dargestellten Persönlichkeiten sind um den Tisch versammelt, auf welchem eine Leiche liegt; die Hauptpersönlichkeit erläutert an derselben irgend etwas, die übrigen sehen mit gespannter Aufmerksamkeit auf die bezeichnete Stelle. Das Alles ist so lebensvoll und wahr geschildert, die einzelnen Persönlichkeiten sind so treffend gekennzeichnet, auch hinsichtlich der Farbe herrscht eine derart feine Tönung, daß man den glänzenden Erfolg begreift, den Rembrandt mit diesem Werke erzielte. Weitere Bestellungen auf Bildnisse folgten; zu dem Glücke des Künstlers trug ferner nicht wenig seine Vermählung mit der schönen und auch reichen Saskia van Uylenburgh bei, 1633, so daß er nicht gezwungen war, ausschließlich auf den Erwerb hin zu arbeiten, sondern seinen Neigungen folgen konnte. Die Bildnismalerei zog ihn wenig an, weil er dabei zu abhängig war von gegebenen Verhältnissen, weder seine Einbildungskraft noch seine malerischen Grundsätze frei walten lassen durfte. Groß ist nur die Zahl seiner Selbstbildnisse, fast jedes Jahr entstand ein solches; dies erklärt sich jedoch daraus, daß Rembrandt an dem eigenen Spiegelbilde seine Versuchsstudien zu machen pflegte. Diese Selbstbildnisse sind deshalb besonders lehrreich, weil sie die künstlerische Entwicklung Rembrandts am besten zeitlich verfolgen lassen. Am meisten sagten ihm Stoffe aus der biblischen Geschichte des alten Testamentes zu, die ihm Gelegenheit boten, seine künstlerischen Absichten ungehindert zu verfolgen; etwas seltener sind Darstellungen aus dem Leben des Heilands, sowie solche aus der antiken Sagenwelt. Der Gegenstand war ihm eigentlich ziemlich gleichgiltig, nicht um den im letzteren liegenden Inhalt handelte es sich für Rembrandt, sondern oft mehr nur darum, daß der Gedanke eine handsame, auch der Menge geläufige und verständliche Beziehung erhalten könne. Ebenso frei wie mit dem Vorwurf des Bildes verfuhr Rembrandt mit der Form. Auf Bestimmtheit und deutliche Klarheit der Umrisse, die sonst bei den Holländern eine Hauptsache waren, legte er kein Gewicht, er hatte dies auch umso weniger notwendig, als er mit unübertrefflicher Sicherheit das Ganze einer körperlichen Erscheinung völlig genau und richtig wiederzugeben verstand. Dies geschah aber nur mit dem rein malerischen Mittel der Licht- und Farbenwirkung. In den biblischen und sagenhaften Stücken versucht auch Rembrandt gar nicht, geschichtlich treu zu sein, oder den klassischen Vorstellungen zu entsprechen; er entnimmt seine Gestalten, die Gewandung und das Beiwerk der damaligen Wirklichkeit.

Die in den Jahren 1633-42 entstandenen Werke hatten den Ruf des Meisters gesichert und weithin verbreitet; auch sonst lebte er in den glücklichsten Verhältnissen, da trat ein jäher Rückschlag ein. Der Tod Saskias vernichtete sein häusliches Glück, und sein künstlerisches Ansehen verlor er durch sein - bestes Bild. Er hatte den Auftrag

^[Abb.: Fig. 692. Brouwer: Lustige Gesellschaft.

München. Pinakothek.]