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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts

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Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts.

für ein Doelenstück erhalten, der Auszug einer Schützengilde sollte gemalt werden. Rembrandt löste die Aufgabe nicht in der herkömmlichen Weise, sondern ganz unter dem malerischen Gesichtspunkte, ähnlich wie in dem Anatomiebilde. Anstatt die Schützen bei einem Festmahle oder in gesonderter Aufstellung abzubilden, wählte er den Augenblick, in dem sie das Schützenhaus verlassen, um sich zu ordnen (Fig. 690). Der Hauptmann und sein Leutnant schreiten voran, die anderen drängen sich durcheinander, auch Kinder laufen dazwischen. Der Vorgang spielt sich ebenfalls im dämmerigen Halbdunkel ab, doch ein wundervoll zauberisches Licht fällt auf die Hauptfiguren, und was die Beleuchtungs-Wirkung anbelangt, ist dieses Bild die vollendetste Leistung Rembrandts, der sich nur das Regentenstück, die "Staalmeesters" (Vorsteher der Tuchmacher-Gilde), zur Seite stellen läßt (Fig. 690). In letzterem sind die sechs Personen um einen Tisch versammelt, zwar auch in lebendig bewegter, aber doch in schlichter Anordnung dargestellt; in der malerischen Gruppierung liegt der Vorzug des ersteren Bildes, während in letzterem die Ebenbildnisse getreuer sein mögen. Der Schützenauszug gefiel den Bestellern keineswegs, vor allem fanden sie, daß die Ebenbildnisse zu wenig deutlich seien. Ferner fand man die Anordnung ungehörig und die Lichtbehandlung auch wider alles Herkommen. Es scheint, daß schon damals das Bild den Spottnamen "Nachtwache" oder "Scharwache" erhielt, unter welcher Bezeichnung es heute bekannt ist.

Rembrandt fiel in Ungnade, weil er seinen künstlerischen Anschauungen folgte, anstatt der Eitelkeit und dem Geschmack der ehrsamen Schützenbrüder zu huldigen. Mit Bildnissen blieb er nun verschont, um so eifriger konnte er sich jetzt mit anderen, ihm mehr zusagenden Arbeiten beschäftigen, vor allem mit den Radierungen. Diese Kunstgattung hatte er von jeher mit Vorliebe gepflegt und es darin zu einer gleichen Meisterschaft wie in der Malerei gebracht; die von ihm hergestellten Blätter waren von den Sammlern sehr gesucht, sie brachten ihm ebensowohl Ruhm wie Gewinn. Auch die Landschaft wurde jetzt von dem Meister in ausgedehntem Maße behandelt, sowohl in Gemälden wie in Radierungen. Auf diesem Felde zeigt sich Rembrandt nicht als Anhänger der Wirklichkeitstreue, er stellt vielmehr seine Landschaften nach den Einfällen seiner Einbildungskraft zusammen, indem er dabei seine eigenen Naturstudien mit solchen anderer Meister bereichert, in das heimische holländische Gelände Bergzüge oder italienische Ruinen einfügt. Immer aber sind die einzelnen Grundzüge vollkommen naturwahr, mit feinem Verständnis empfunden und mit hohem malerischen Reiz wiedergegeben.

Rembrandt hatte, wie erwähnt, sich in günstigen äußeren Verhältnissen befunden, so lange seine Frau lebte, obwohl er schon damals der Verschwendung beschuldigt wurde. Sein Sammeleifer, der sich insbesondere auf Kupferstiche erstreckte, verschlang jedoch nicht nur die eigenen Einnahmen, sondern auch das hinterlassene Vermögen Saskias, so daß er 1656 für zahlungsunfähig sich erklären mußte und sein Haus mit allen Kunstschätzen versteigert wurde. Trotzdem blieb auch in der Verarmung seine Schaffenskraft ungebrochen, und noch eine stattliche Reihe der prächtigsten Bilder, abgesehen von den Radierungen, entstand in dieser trüben Zeit, so das erwähnte Regentenstück die "Staalmeesters". Im Jahre 1661 sah er sich seiner geschwächten Augen wegen gezwungen, das Radieren auf-^[folgende Seite]

^[Abb.: Fig. 639.^[richtig: Fig. 693.] Dou: Die Häringsverkäuferin.

München. Pinakothek.]