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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Das 19. Jahrhundert

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Das 19. Jahrhundert.

"Klassizismus" in Deutschland wurde. Seine Schüler huldigten jedoch im Wesentlichen einer ekklektischen Richtung, erst Jakob Asmus Carstens (1754-98) brach rücksichtslos mit allen Ueberlieferungen und vertrat die "rein klassische" Richtung, welche in der Antike das allein giltige Vorbild sah. Dies konnte aber doch nur für die Formensprache, also die Zeichnung, der Fall sein, nicht aber für die "Farbenkunst", und deshalb konnte auch diese streng-klassische Richtung keinen Bestand haben. Die Kunstweise von Carstens fand daher auch nur einen einzigen bedeutenden Fortsetzer in Bonaventura Genelli (1798-1868); dagegen wandten sich die anderen deutschen Klassizisten der französischen Richtung Davids zu, so Eberhard v. Wächter (1762-1852) und Gottlieb Schick (1779-1812). Auf denselben Anschauungen wie Carstens fußte auch Jos. Anton Koch (1768-1839), der die "heroische" Landschaftsmalerei Deutschlands begründete, welche auch mehr bildnerisch als malerisch empfand und erfand. Ihr letzter bedeutsamer Vertreter war Albert Zimmermann (1809-1888). Der Rückschlag gegen den Klassizismus ging eigentlich von Männern des Schriftthums aus; Wackenroder und Schlegel sind die geistigen Urheber der "romantischen Schule". Der erstere betonte das Christliche und Religiöse und wies auf die Meister des Quattrocento als Vorbilder hin, Schlegel lenkte die Aufmerksamkeit auf das Volkliche und Weltliche, auf Geschichte und Sagenwelt. Es bildeten sich denn auch unter den Romantikern zwei Gruppen, eine religiös-romantische, an deren Spitze Friedrich Overbeck (1789-1869) stand, und eine weltliche, deren Großmeister Peter Cornelius (1783-1867) wurde. Von der ersten Gruppe der sogen. "Nazarener" oder Präraphaeliten, welche auch in der Darstellungsweise an das Mittelalter anknüpfte, sind besonders hervorzuheben Julius und Philipp Veit, Heinrich Heß, Schraudolph, Leopold Kupelwieser, Josef Führich und Eduard Steinle, während aus dem Kreise des Cornelius namentlich Julius Schnorr (1794-1872), Wilhelm Kaulbach (1805-74) und Wilhelm Schadow (1789-1862) zu einer hervorragenden Bedeutung gelangten. Letzterer erscheint als Begründer der Düsseldorfer Schule, welche zuerst - unter der Führung von Theodor Hildebrandt (1804-74) und Carl Friedrich Lessing (1808-80) - aus der romantischen Bahn in jene des Realismus einlenkte und mehr Wert auf die Farbengebung legte, als die Nazarener und die sonstigen Cornelius-Schüler. Außerhalb der Gruppe der letzteren steht Moriz Schwind (1604-71), der in eigenartig selbständiger Weise die romantische Richtung pflegte. Die Landschaftsmalerei im Sinne der letzteren fand in Carl Rottmann (1798-1850) und Friedrich Preller (1804-78) ihre hauptsächlichsten Vertreter. Als eine besondere künstlerische Erscheinung ist Alfred Rethel (1816-59) zu nennen, dessen Formengebung von eindrucksvoller Großartigkeit ist.

Der nach 1840 eingetretene Umschwung zum "Realismus" (Wirklichkeitstreue) und "Kolorismus" (Farbenkunst) trat zunächst bei den Düsseldorfern deutlich zu Tage, unter denen namentlich Ludwig Knaus, Benjamin Vautier und Andreas Achenbach zu erwähnen sind. Zu nachhaltigem Einflusse gelangte dann Carl Theodor Piloty (1826-86), das Haupt der Münchener "koloristischen" Schule, aus welcher Hans Makart (1840-84) und Franz Defregger (geb. 1835) hervorgingen. Der erstere brachte die farbenkünstlerische Seite der Pilotyschen Richtung zur glänzenden Vollendung, während der letztere die realistische zur vollen Lebenswahrheit ausbildete.

Entscheidend für den Aufschwung der deutschen Malerei und für ihre maßgebende Rolle innerhalb der Gesamtkunst war jedoch das Auftreten einiger Meister von überlegenem und überragendem Kunstgeiste. Es sind dies Adolf Menzel (geb. 1815), Arnold Böcklin (1827-1901), Anselm Feuerbach (1829-80), Franz Lenbach (geb. 1836), Haus Thoma (geb. 1839) und Wilhelm Leibl (1844-1901). In Menzel sehen wir den vollendeten Meister in der Schilderung des neuzeitlichen Lebens, das er mit unbedingter Wirklichkeitstreue und in "natürlichem Licht" wiedergiebt; wie dies am schärfsten in dem Gemälde "Das Eisenwalzwerk" ausgeprägt erscheint. (Siehe Tafel). Im Gegensatz zu ihm ist Böcklin der "Maler-Dichter", welcher die Welt der Einbildungskraft mit überzeugender Wahrheit "erschafft" und die ganze Natur als beseelte Einheit darstellt.