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das Wetter machen ihre Rechte geltend bei der Wahl der Toilette und oft hat sie sogar die Aufgabe, der Stimmung Ausdruck zu geben, nicht allein bei eigener Freude oder Trauer, sondern auch bei Feierlichkeiten bei Gratulations- oder Kondolenzbesuchen.
Ueber die Angemessenheit spricht das Geld ein ernstes Wort mit. Eine unbezahlte Toilette behält immer einen Haken, welcher drückt, und eine Toilette, um derentwillen eine Szene mit dem Papa oder dem Gemahl stattgefunden hat, vielleicht gar noch in nächster Aussicht steht, wird ihrer Trägerin keine Sympathie erwecken, darauf kann man sich verlassen.
Endlich ist ein nie zu vernachlässigender Moment der Angemessenheit in der Toilette die Decenz. Kein weibliches Wesen von sittlicher Bildung sollte sich einer Mode anbequemen, welche seine Reize in einer das Zartgefühl verletzenden Weise hervorhebt. Nie wird ein Herz auf diesem Wege erobert, höchstens niedere Leidenschaft vorübergehend entfesselt, fast unvermeidlich aber die Achtung verscherzt und der Glaube an die im Weibe auf jeder Lebensstufe unantastbare innere Jungfräulichkeit untergraben. Die Wahrheit dieser Behauptung bekräftigen die spöttischen Mienen, die strengen, abfälligen Urteile jedes unverdorbenen Mannes, der sich von derartigen Schaustellungen entschieden abgestoßen fühlt. -
In Bezug auf die Toilette gilt das Wort: "Erlaubt ist, was sich ziemt."
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Zur Dienstbotennot.
Ueberall tönt heutzutage die Klage über Dienstbotennot und mißliche Dienstverhältnisse. Die Herrschaften klagen: "Die heutigen Dienstboten sind nicht mehr wie die frühern; sie sind viel anspruchsvoller, eitler und hochmütiger, verlangen hohen Lohn, wenig Arbeit und verlassen beim geringsten Anlaß die Stelle." - Sind die Dienstboten unter sich, ertönen auch Klagen über Klagen. Sie beschweren sich über "viele Arbeit, die strenge Stelle, in der man immer laufen und springen muß, wo man keine Minute des Tages Ruhe hat, sich tagein, tagaus um die Bagatelle von Lohn plagen muß." Fast könnte man meinen, sie seien die geplagtesten Wesen unter Gottes Sonne.
Der Gründe der unerfreulichen Zustände gibt es so viele, daß hier nicht auf alle eingetreten werden kann. Ein Hauptgrund liegt im Charakter unserer Zeit; alles sieht auf möglichst mühelosen Erwerb, auf persönliche Freiheit und Selbständigkeit. Eltern, die auf den Verdienst der Kinder rechnen müssen, senden sie in die Fabrik, damit sie rasch und viel verdienen. Junge Leute, die dienen wollen und können, folgen dem Trieb in die Fremde. Unsere Mädchen folgen dem Zuge "in's Welschland", Genf, Lyon, Paris; die guten Stellen der deutschen Schweiz werden mehr als zur Hälfte von Ausländerinnen (Schwabenmaitli) besetzt *) und im "Reiche draußen" herrscht ebenfalls da und dort Dienstbotennot.
Viele Eltern, die der finanziellen Unterstützung von Seite der Kinder nicht bedürfen, deren Töchter aber doch ihr Brot selbst verdienen und ihr Auskommen unter fremden Leuten suchen müssen, geben sie in keinen Dienst; denn "dazu wären sie ja zu schwächlich und - auch zu gut." Die klein dotierte Stelle als Ladentochter, als Bureaufräulein wird vorgezogen, obschon bei den heutigen Verhältnissen sich eine perfekte Köchin, ein gewandtes Zimmermädchen in finanzieller und gesundheitlicher Beziehung besser stellt. Bei den letztern Kategorien sind der Stellenofferten stets mehr, bei den erstern überwiegen die "Gesuche". Aber so eine "Angestellte", selbst eine Fabrikarbeiterin hält sich für weit, weit mehr, glaubt auf einer höheren Stufe zu stehen als ein Dienstbote, und leider glauben die jungen, 14-16jährigen Mädchen und deren Mütter in den meisten Fällen dasselbe.
Damit kommen wir einem weiteren Hauptgrund der "Dienstbotennot" nahe: es ist die moderne Mädchenerziehung in hohen und niedern Kreisen. In der sogen, "guten alten Zeit" ließ man die geistige Ausbildung der Töchter oft zu sehr außer Acht; aber in Bezug auf das häusliche Leben nahm man's genauer. Auch die Töchter der "Vornehmen" lernten die Hausgeschäfte nicht blos "vom Zusehen", sondern durch eigene praktische Betätigung. Heutzutage gibt man alles auf die geistige und gesellschaftliche Bildung; da werden die höhern Töchter von der prosaischen Seite des Lebens befreit. Sie lernen malen, singen, höhere Musik, französisch, englisch, hören Vorlesungen über Chemie, Astronomie; aber die Chemie der Küche, die Kochkunst, die Besorgung der Wäsche, alle die vielgestaltigen Geschäfte eines Hauswesens bleiben ihnen beinahe fremd. Höchstens wird feine Handarbeit, wie Sticken und Häkeln geübt. Tritt nun solch ein Musterkind in den Ehestand, soll sie ein Hauswesen leiten, so wähnt sie, nun eine Fortsetzung der sorg- und mühelosen Jugend, dazu noch freies Schalten und Walten über Zeit und Geld zu finden. Die Ehe war aber niemals ein harmloses Kinderspiel, heute am allerwenigsten. Sie verlangt eine ganze und volle Hingabe unseres Wissens, unserer Fähigkeiten und Kräfte. Arbeit, verständnisvolles Wirken, sind heute ebenso unentbehrlich, wie zu der Zeit, da Schiller sang:
Und drinnen waltet
Die züchtige Hausfrau,
* In Zürich sind fast die Hälfte der weiblichen Dienstboten Deutsche, und in Basel nahe zwei Drittel Ausländerinnen, ebenfalls meist Deutsche.