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Kochschule und Ratgeber für Familie & Haus

Autorenkollektiv, Verlag von Th. Schröter, 1903-1905

Schlagworte auf dieser Seite: Das Toilettenzimmer

Kochschule und Ratgeber für Familie & Haus

Erscheint wöchentlich. Abonnement jährlich Fr. 2.50; als Beilage zum "Schweiz. Familien-Wochenblatt" gratis. Inserate die kleine Zeile 25 Cts.

Verlag von Th. Schröter, Obere Zäune 12, Zürich.

1903. 25. Juli. Inhalt: Das Toilettenzimmer. - Die Zukunft der Mode farbiger Schuhe. - Das Bügeln der Manschetten. - Eingesandt. - Etwas über das Schwimmen. - Kleine Rundschau. - Gesundheitspflege. - Hausmittel und Rezepte. - Einmachkunst. - Für die Küche. - Kochrezepte. - Briefwechsel der Abonnenten unter sich. - Inserate.

Das Toilettenzimmer.

Von Dr. Hertz.

Es ist ein Kapitel der Poesie, das wir aufschlagen, wenn wir die Vorhänge jenes Raumes lüften, das die Frau ihr Toilettenzimmer nennt, einer Poesie, hier bewußt, mit dem ganzen Zauber eines siegessichern Raffinements, dort unbewußt getrieben, wie etwa in den "Précieuses ridicules" von Molière, wo die junge Frau Prosa spricht, ohne es zu wissen. Denn es kann die Frau an dem Räderwerk häuslicher Pflichten und dem Einerlei des Tages sehr langweilig, sehr poesielos erscheinen können - man gehe ihr nach in ihr Toilettenzimmer und man wird die Poesie finden. Denn nicht in dem grübelnden Kultus, der darauf sinnt, das Toilettenzimmer zu einem sinnlich schönen Altar zu gestalten, darauf man dem goldenen Götzen der Schönheit opfere, nicht in dem üppigen Raffinement seiner Phantasie, dem verführerischen Spiel mit Lichteffekten, tausend Künsten und Geheimnissen, wie es das Toilettenzimmer der eleganten Modedame darbietet, liegt jene Poesie, die ich meine, seine echte Poesie liegt einzig in der Bestimmung, der es unabhängig von jeder Ausstattung dient, den Zweck der Frau zu unterstützen, - zu gefallen! -

Zu diesem Zweck vereinigt es sie alle, und seine Ausstattung ist nur Beiwerk, das von den äußeren Verhältnissen und den mit ihnen zusammenhängenden Bedürfnissen und Ansprüchen bestimmt wird. Es ist ein Irrtum, anzunehmen, daß es unter allen Umständen jener sinnlichen Einwirkung bestimmter Lichteffekte einer gewissen Ueppigkeit des Komforts, jenes unsagbaren Mystizismus der Atmosphäre und all jener wichtigen Toasts bedarf, die der gefällige Schutzgeist der Frau, die Koketterie, in Büchsen und Schachteln, Fläschchen und Flacons, Duft und Farbe, auf ihren Toilettentisch legt, um das Toilettenztmmer zu einem Kapitel der Poesie im Leben der Frau zu gestalten; - auch ohne aus dem parfümierten Schleifengewirr hervorzulugen, können Grazien und Amoretten da ihr Heim aufschlagen. Es bleibt für Alle dasselbe und ist nur wenigen kein Gedicht.

Denn einer jeden Frau ist das Totlettenzimmer die Stelle, die unlöslich mit ihren Triumphen verknüpft bleibt, wo sie sich im Geheimen ihrer Schönheit erfreute, wohin sie das Bewußtsein einer Niederlage trug, wo törichte Mädchenträume geträumt wurden, und die junge Frau über die erste Falte erschrak. Hier pulsiert eine Hoffnung, dort jubelt eine Erinnerungsstunde, lacht eine kleine Eitelkeit, und die Einrichtung dieses Toilettenzimmers braucht nach außen hin doch keine Poesie zu verraten, wie Niemand in der geschlossenen Muschel eine Perle sieht. -

Dem Komfort des Toilettenzimmers Regeln und Anweisungen zu geben, wird nur in sehr bedingter Weise möglich sein. Es kann auch hier nur an die Grundsätze erinnert werden, die für die Einrichtung unseres Hauses im allgemeinen sich heutigen Tages geltend machen. Hier muß nun zugestanden werden, daß sich in der Neuzeit sowohl der Luxus wie der Geschmack in wirklich wohltuender Weise mehr und mehr von der Disharmonie entfernt und in diesem Sinn mit mancher Tradition der Vergangenheit gebrochen hat. Wir werden uns zu erinnern wissen, daß es früher gar keine ungewohnte Erscheinung war, die äußerste Sorgfalt einer Frau für ihre persönliche Toilette mit ausgesprochener Gleichgültigkeit gegen ihre Einrichtung, sozusagen die Toilette ihres Hauses, verbunden zu sehen. Wie selten erinnerte sie sich daran, daß die Toilette ihrer vier Wände, die Einrichtung ihres Daheims, zum mindesten dieselben Rechte an ihr Interesse und ihre Sorgfalt habe, - wie selten wurde sie sich nur darüber klar, daß es vorzugsweise die Achtsamkeit auf die Harmonie und Anmut der wohnlichen Einrichtung sei, die so mächtig dazu beiträgt, der Familie das Haus lieb und wohltuend zu machen. -

In der Jetztzeit hat sich das geändert; wir können in der Tat beinahe die entgegengesetzte Bemerkung machen. Es will das viel sagen,