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Kochschule und Ratgeber für Familie & Haus

Autorenkollektiv, Verlag von Th. Schröter, 1903-1905

Schlagworte auf dieser Seite: Warten und warten lassen

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lichteit niemals üble Gerüche zu ertragen, sondern die Nase so zu erziehen, daß sie sofort angibt, wenn etwas nicht "in Ordnung" ist. Uebelriechende Luft ist "schmutzige" Luft, d. h. sie ist mit unbrauchbaren Abfallstoffen angefüllt, die zumeist eine direkt vergiftende Wirkung haben auf alle Diejenigen, welche sie wiederholt einatmen. Daß wir durch Haut und Lunge schädliche Gase abgeben, die der Organismus auswirft, ist ja wohl bekannt, sie sollen sich nirgends ansammeln, am allerwenigsten in Schlafräumen, und sollen niemals von andern wieder eingeatmet werden. Beides findet statt, wenn wir die Luft unserer Wohnräume nicht täglich Wiederholt erneuern. Ich rate daher für Jung und Alt, bei offenem Fenster zu schlafen, erstens damit unsere Auswurfstoffe ungehinderten Abzug finden, zweitens damit wir im Schlafe nicht durch Sauerstoffmangel leiden. Um nicht durch kalten Lufzug getroffen zu werden, stelle man einen Luftschirm vor das geöffnete Fenster, oder spanne vor dem geöffneten Oberfenster einen Vorhang aus und anderes mehr. Bei kleinen Zimmern ist es vorteilhaft, im Nebenzimmer zu lüften und die Verbindungstür weit zu öffnen. Wie schläft es sich gut in solcher reinen Luft! Kein übler Luftgeruch kann sich in derartigen Wohnräumen entwickeln und der in so vielen Wohnungen für feine Nasen fühlbare "Familiengeruch" ist dann kaum noch aufzufinden. Für große Winterkälte finden wir in der englischen Sitte den idealsten Zustand verkörpert: nämlich bei Tag und Nacht einen Wärme spendenden Füllofen und steten Zutritt der Außenwelt durch entsprechende Ventilationsvorrichtungen. Eine Ansammlung von üblen Gerüchen, die an Kleidern, Möbeln, Tapeten haften bleiben, ist unter solchen Umständen unmöglich, aber auch ein künstliches Lüften ist überflüssig. Leider sind wir nicht überall so weit!

Wohnzimmer lüfte man auch nach jeder Mahlzeit, ebenso, wenn mehrere Personen sich gleichzeitig in denselben aufgehalten haben, und wenn die Kälte im Winter nicht zu groß ist, lasse man nachts eine Fensterspalte offen. "Dumpfe Luft" kann sich dann gar nicht entwickeln, und Kinder und Frauen werden kein fahles und blasses Aussehen bekommen.

Um aber die Hausfrauen zur selbständigen Handhabung dieser häuslichen Verhältnisse zu befähigen, müssen wir schon die jungen Mädchen in anderem Geiste erziehen. Sie müssen zu "Luft-Hunger" erzogen werden, zu kräftigerer Betätigung ihrer Muskeln, damit keine Stumpfheit der Sinne entstehen kann. Dann wird auch die Luftscheu unter den Frauen weichen!

Warten und warten lassen.

Warten! Wer hat sie nicht ausgekostet, die Qual des Wartens. Wer weiß sie nicht zu ermessen, die zitternde Angst, die heftige Ungeduld oder die stumpfe dumpfe Ergebung des Wartens. Freilich, im Grunde genommen ist ja unser ganzes Leben ein einziges Warten. Wir warten als Kinder ungeduldig, töricht, als junge Menschen hoffnungsfreudig, in der Kraft unserer Jahre ruhig. Das Kind wartet auf die kleinen Freuden seines Daseins, auf einen Apfel, ein Stück Kuchen, das neue Kleidchen, den Geburtstag und vor allem aufs Christkind, Jüngling und Jungfrau auf ein unerhörtes berauschendes Glück, auf Liebesseligkeit und Daseinswonne, Mann und Frau auf Erfüllung ihrer Lebenshoffnungen, bis zuletzt der Greis auf den Tod wartet.

Aber wir warten nicht nur auf die großen Dinge im Leben, auf frohe und traurige, wir warten auch alltäglich und stündlich auf die kleinen. Und dies Warten auf die kleinen Dinge macht uns nervös, ärgert und verbittert uns, zerstört uns viele gute Stunden, bringt manchen Schatten in Haus und Ehe, trennt alte Freundschaften und schafft neue Feinde . . das Warten und - das Wartenlassen.

Die wenigsten Menschen können in kleinen Dingen ruhig warten. Besonders die Männer nicht, und von den Männern am allerwenigsten - die Unpünktlichen. Ein Mann, der ruhig und ohne sich die Laune verderben zu lassen, wartet, bis seine bessere Hälfte vor einem Ausgange noch schnell ihren Schirm, ihre Handschuhe geholt, den Schleier gebunden, den letzten und allerletzten Blick in den Spiegel getan und dem Mädchen ein Dutzend Anweisungen gegeben hat, - der ist ein weißer Rabe. Ein Mann, der nicht in Verzweiflung gerät, wenn er fertig zu einer Gesellschaft angekleidet in Frack, Claque und Lack dasteht und seit einer halben Stunde auf sein Frauchen wartet, das noch immer und immer nicht mit ihrer Toilette fertig ist, - der ist ein Heiliger. Und ein Mann, der ruhig und gelassen wartet, wenn das Mittagessen niemals zu rechter Zeit auf dem Tische steht, und der Kaffee immer erst in dem Augenblick auf der Bildfläche erscheint, wenn er schon den Türgriff zum Fortgehen in der Hand hält, - ja, ein solcher Mann ist überhaupt noch nicht geboren.

Andererseits ist das Warten auf den Hausherrn geradezu nerventötend. Wenn er heute um eins, morgen um halb zwei und übermorgen um zwölf zu Tische kommt, wenn er abends trotz der heiligsten Versprechen sich stets eine Stunde oder auch zwei verspätet, niemals zur Zeit da ist, wenn man Gesellschaft erwartet oder ausgehen will, dann gerät schließlich auch die geduldigste Frau in helle Verzweiflung. Und diese Unpünktlichkeit färbt dann sozusagen auf die ganze Häuslichkeit ab. Kinder und Dienstmädchen werden unpünklich. Das Dienstmädchen nimmt sich zu allem Zeit, sie weiß ja, daß sie doch stets noch zu früh fertig ist und am Abend dennoch keine wirkliche Ruhezeit hat, weil das