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Kochschule und Ratgeber für Familie & Haus

Autorenkollektiv, Verlag von Th. Schröter, 1903-1905

Schlagworte auf dieser Seite: Wintersalate

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"Der Herr ist leider nicht zu Hause, er kommt aber in einer halben Stunde! Wenn der Herr vielleicht warten wollen?" Und das tat ich. "Bitte hier ins gute Zimmer!" Und da war ich. Während der halben Stunde hatte ich Zeit, das "gute Zimmer", für das ich den Rang erreicht hatte, zu mustern. Nachdem ich das Auge durch das ganze Zimmer halte schweifen lassen, trat ich unwillkürlich einen Schritt nach der Tür zurück, denn aus allen Ecken riefen mir Kobolde zu: Tritt nicht herzu, du störst sonst hier unsere Zirkel und die mühevoll geschaffene Symmetrie. So faßte ich denn stehend die mir gegenüber befindliche Wand ins Auge. Sie war dekorativem Zweck gewidmet. Oben, nicht weit von der Tapetenborte, hingen zwei Oelbilder, Pendants natürlich. Sie wiesen dieselben Farben, dieselbe Technik und denselben Rahmen auf. Sie waren sicherlich von demselben Maler und ein Hausierer hatte sie an einen Herrn verkauft. Ich wurde durch sie an einen Atelierscherz erinnert, bei dem sich ein Bekannter verpflichtete, zwei Landschaften zu malen, ehe wir unsern Lachs beendet hätten, und es gelang ihm.

Unter diesen Originalen hingen zwei Kupferstiche. Ich konnte es doch nicht unterlassen, näher heranzugehen, und ich hatte davon die Freude, zwei nette Arbeiten zu sehen. Leider mußte ich den Genuß durch einen Umweg um das Sopha und die beiden guten Sessel erkaufen. Alle vier Bilder, die beiden in Oel und die darunterhängenden Stiche schienen nur aus Rücksicht auf die beiden guten Sessel so pendantartig gehängt zu sein. Ich wurde in dieser Ansicht noch bestärkt durch eine große Photographie, die in der Mitte unter diesen Bildern hing in einem länglich runden Rahmen. Dieses Bild sollte wohl das abschließende Mittelglied in der Anordnung bilden, welchen Zweck das Sopha bei den Möbeln versah.

Ich hatte unterdes wieder meinen Standpunkt eingenommen und ließ das ganze Bilderarrangement auf mich wirken. Ich hatte aber wenig Genuß davon. Die beiden Oelbilder wirkten in ihren gleichen Farben, ihren ähnlichen Zeichnungen langweilig. Die beiden Stiche verloren ganz in dieser Entfernung und erschienen als zwei Schneelandschaften im Nebel; und darunter war ein großer, schwarzweiß gerahmter brauner Fleck bemerkbar. Sobald das Auge aber von diesen Hauptbildern abirrte und sich nach seitwärts verlor, sogleich sprangen aus der hellgrauen Tapete dunkelgrüne Ornamente und flatterten zwischen den sie einfassenden Linien wie aufgescheuchte Schmetterlinge hin und her und etwas verstimmt wandte ich mich zum Fenster und ließ das Auge über die einfarbigen Wiesen gleiten. Hier kam es wieder zu der genießenden Ruhe.

Fragen wir uns nun: "Woher kam der unerfreuliche Eindruck, den die bebilderte Wand in ihrem Totaleindruck machte?" Wir würden nun verkehrt gehen, wollten wir den Bildern als Einzelschmuck die Schuld geben. Abgesehen von den Oelbildern, waren die andern durchaus nicht so wertlos. Jeder der Stiche konnte einzeln betrachtet, den Beschauer nur erfreuen; und die Photographie zeugte von Geschmack in Anordnung und Ausführung. Daran lag es also nicht, fondern die Bilder wirkten in dieser Zusammenstellung und auf dieser Wand so beleidigend. Um den rechten Anfang zum Bessermachen zu finden, fragen wir uns einmal: "Welchen Zweck hat denn der Bilderschmuck in unseren Wohnungen?" Darauf gibt es aber nur die eine Antwort: "Das Bild soll das Auge erfreuen!" Wenn die Geschäftsinteressen den Menschen den größten Teil des Tages in Anspruch genommen haben, so sehnt er sich nach einer ruhigen Stunde am stillen Ort. Das Auge ist durch die bieten, regellos sich ihm aufdrängenden Eindrücke und Bilder der Straße oder des Arbeitsfeldes ermüdet, es verlangt nach einer Anschauung, die ruhig und geschlossen wirkt. Kein Buch, und wenn es noch so reizvoll ist, kann so beruhigend durch das Auge auf den Geist und das Gemüt wirken wie diese Anschauung. Der einzige Ort, der dem Ermüdeten diese Erquickung recht schaffen kann, ist aber das traute Heim. Hier, wo die meisten Menschen ihre Erholung suchen, fehlt es aber vielen noch an diesem großen Faktor.

Wohl schmücken die meisten Menschen ihre Wohnräume, viele lassen sogar eine Wand des Zimmers für die Bilder frei und doch macht die fertig dekorierte Wand nicht den ruhigen Eindruck. Freilich empfinden sehr viele den Mangel gar nicht; ihr Auge begnügt sich damit, wenn die ganze Anordnung symmetrisch ist. Sie können eben nicht sehen, mit den Augen nicht wägen. Sie fühlen ebenso gut wie andere die Schönheit und Geschlossenheit in einer bessern Anordnung, aber der Unterschied zwischen dieser und jener, der Grund, auf dem diese aufgebaut ist, bleiben ihnen verschlossen. Der einzige Grund, den man dafür verantwortlich machen kann, ist der: die Menschen beobachten heute viel zu wenig die Natur, die Lehrmeisterin alles Schönen.

Damit sind wir bei dem Punkt angelangt, von dem wir ausgehen müssen, wenn wir unsern Wohnräumen den traulichen Charakter geben wollen. Hier können wir es einzig und allein lernen, denn jeder ist sich darüber klar, daß er hier stets die wahre Erfrischung und Arbeitsfreude wiedergefunden hat.

Wintersalate.

Plaederei von Nelly von Carst.

(Nachdruck verboten.)

Im großen und ganzen sind wir Kinder der Neuzeit weit mehr an den Genuß von Salaten gewöhnt, als unsere Voreltern. Diese begnügten