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Kochschule und Ratgeber für Familie & Haus

Autorenkollektiv, Verlag von Th. Schröter, 1903-1905

Schlagworte auf dieser Seite: Die Kinder und der Arzt

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Mag nun aber die Sitte des Sexor in dem Umfange, wie sie im Nordlande üblich ist, auch für uns nicht Passen, so können doch unsere Hausfrauen manches daraus lernen. Es gibt zahllose Fälle, in denen es sich empfehlen dürfte, den beiden großen Mahlzeiten ein Sexor vorangehen zu lassen. Wie oft kommt's in einem gut bürgerlichen Haushalt vor, daß dte Gänge zu dürftig sind, um den Hunger der Tischgenossen zu befriedigen! Eine Vorkost von verschiedenem Kalten würde dann Zweifellos am Platze sein. Besonders geeignet aber ist das Sexor zur Resteverwertung. Die mitteleuropäische Hausfrau ist im allgemeinen auf diesem Gebiet keine Meisterin, sie weiß z. B. mit Braten- und Fischresten nichts Besseres anzufangen, als daß sie sie entweder kalt serviert - so wie sie da sind - oder sie einfach aufwärmt. Der "eingeschnittene Braten" aber ist bekanntlich etwas Fürchterliches und ein Schreckgespengst aller Ehemänner. Bezüglich seiner Benutzung zu geradezu köstlichen Sexorgerichten können wir von unsern skandinavischen Schwestern unendlich viel lernen. In folgendem will ich einige Anweisungen geben, die es verdienen, in weiteren Kreisen bekannt zu werden.

Vorzüglich sind vor allem die verschiedenen Omelettes mit Fleisch-, Fisch- und Gemüsefüllung. Ein kleiner Rest von Braten oder Suppenfleisch wird in Würfel geschnitten und mit etwas Butter aufgeschwitzt, ohne jedoch zu bräunen. Alsdann gießt man löffelweise saure oder süße Sahne dazu, läßt das Gemenge gut durchkochen und bindet es mit einer Messerspitze voll in Butter gargemachtem Mehl. Nach Belieben kann man es auch mit Pfeffer oder Maggi-Würze kräftigen. Darauf wird ein nicht zu dünnes Omelette gebacken, in das man das Fleischgemenge tut, um es dann regelrecht darin einzuwickeln. Das gleiche Verfahren empfiehlt sich auch für gekochten und gebratenen Fisch, der natürlich zuvor sorgsam entgrätet wird. Ist das Fleisch, wenn auch noch völlig frisch, so doch bereits zu trocken, um in der beschriebenen Manier verwertet zu werden, so wiegt man es ganz fein und rührt es in den Omeletteteig ein, der dann zu dünnen Plinsen verbackt wird. Man kann diese rollen, als auch über einer umgedrehten Untertasse, die auf einen großen flachen Teller gelegt wird, platt über einander ausbreiten. Man erhält dann ein Gericht, das wie ein hochgewölbter gebacker Pudding aussieht. Dieser wird mit geriebenem Parmesankäse bestreut und, quer durch in eine Anzahl keilförmiger Stücke zerschnitten, serviert. Wenn man beim Schneiden vorsichtig zu Werke geht, so sind dte Schnitte nicht zu bemerken und die Gestalt des Puddings bleibt unversehrt. Ausgezeichnet mundet dazu eine Tomatensauce. Will man das Gericht derart verlängern, daß es einen selbstständigen Gang darstellt, so reicht man dazu grünen oder Kartoffelsalat. Ebenso lassen sich auch Gemüsereste wiegen, respektive zerdrücken und mit Omelettenteig verbacken, nur kann man aus ihnen keine dünnen Plinsen, sondern nur ein dickes Omelette herstellen, das zur Vervollständigung statt des Salats etwas kalten Ausschnitt erfordert. Backobst, namentlich Pflaumen, fein gehackt und mit Zimmet oder Vanille gewürzt und unter die Omelette gerührt, ergeben einen guten Nachtisch.

(Schluß folgt.)

Die Kinder und der Arzt.

In gar vielen Kinderstuben gilt der Arzt als der "schwarze Mann", der "Lutschdaumen" wegschneidet, den Kleinen wehtut 2c. Bei mancher Gelegenheit heißt's: "Wart Hansel, wenn ich's dem Doktor sage!" Schließlich hat der Hansel solch großen Respekt vor dem bösen Doktor, daß er laut kreischt und sich versteckt, wenn er ihm zu Gesicht kommt. Und wird schließlich dann der Hansel oder die Grete krank, der Jammer, die Mühe, bis der Arzt so weit ist, daß er seinen kleinen Pattenten untersuchen kann.

So oft nun der Arzt wiederkehrt, gibt's neues Geschrei, Mutter und Pflegerin suchen den kleinen Kranken zu trösten, zu beruhigen, ja es werden ihm schöne Sachen versprochen und schließlich kann der Arzt seiner Pflicht genügen. Am nächsten Tage geschieht das gleiche und wer wollte dem Arzte zürnen, wenn ihm endlich dieser "Handel" zwischen Mutter und Kind zuwider wird. Aber man hat ja das Möglichste getan, dem Kinde die Furcht vor dem Arzte beizubringen. Damit schadet manche Mutter sich und dem Kinde; wie viel Angst, wie viel Aufregung könnte sie sich und dem Kinde ersparen, wenn sie dasselbe lehren würde, dem Arzte zu vertrauen, ihn als Helfer bei allen körperlichen Schmerzen anzusehen.

Aber um dies zu erreichen, muß man vor Allem einen Hausarzt haben, nicht stets, mit jedem neuen Leiden, den Arzt wechseln. Dies ist nie von Gutem und für Kinder ganz besonders nicht. Ein Kind muß fest an den Arzt glauben; hat es sich angerannt, nicht nur eine Beule, sondern sogar ein Loch im Kopf dabei erhalten, da sieht es vertrauensvoll der Ankunft des Arztes entgegen, der die Sache sicher wieder gut macht, das Kind wird tapfer herhalten, es weiß, daß dies zum Heilen gehört und der Arzt wird seinen kleinen Pattenten darob loben. Die kleinen Fortschritte in der Besserung, das sind für das Kind Erfolge, die es gerne dem Arzte zeigt, es freut sich auf sein Kommen und - bedauert fast die schnelle Heilung.

Wie leichter und angenehmer ist da die Pflege, wieviel lieber macht aber auch der Arzt Krankenbesuch, wenn er seinem kleinen Patienten quasi als "Helfer in allen Leibesnöten" gilt! Die Furcht vor dem Arzte ist in vielen Fälleu auch der Hemmschuh bei der Heilung. Dazu