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Kochschule und Ratgeber für Familie & Haus

Autorenkollektiv, Verlag von Th. Schröter, 1903-1905

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auf den Markt, weil viele Mütter es lieben, die weitere Garderobe selbst zusammenzuschneidern. Der größere Teil wird aber mit fertiger Kleidung geliefert, die wiederum von besonderen Arbeiterinnen hergestellt wird, die den zugeschnittenen Stoff grosweise aus besonderen Zuschneidewerkstätten beziehen, worauf wiederum besondere Arbeiterinnen das Anziehen der Kostüme besorgen.

Eine ähnlich weitgehende Arbeitsteilung herrscht in der Industrie des Christbaumschmuckes, deren Mittelpunkt Lauscha im Meininger Oberlande ist, wo seit mehr als 300 Jahren die Glasperlenindustrie blühte, die vor etwa 20 Jahren infolge einer schweren Krise dieses Fabrikationszweiges von einem großen Teile der Bevölkerung aufgegeben werden mußte. Um einen Ersatz für den großen Lohnverlust zu gewinnen, warf man sich nun auf die Fabrikation des Christbaumschmuckes. Eine große Glashütte liefert das Rohmaterial in Stangenform an die Heimarbeiter, die nach Anlage weitläufiger Gasleitungen an ihren häuslichen Glasbläserlampen ein Fabrikat herstellen können, das mit denjenigen der Großfabrik vollkommen gleichwertig ist. Während ein Teil der Arbeiter sich nur mit dem Blasen der Kugeln befaßt, besorgen andere die Bemalung oder innere Verspiegelung; wieder andere umspinnen die Kugeln mit Gold oder Silberfäden oder kitten die zum Aufhängen bestimmten Ringe auf, worauf das Fabrikat zum Versand fertig ist.

Auch die Spielwarenindustrie muß der Mode folgen. Im Inlande ist diese Aufgabe ziemlich leicht. Im Auslande bedarf es aber fortwährender Anstrengungen, um den ersten Platz zu behaupten. In den Gegenden, wo diese Industrie eine hohe Entwicklung erreicht hat, senden deshalb sowohl die Handelskammern wie die Fabrikanten ihre Reisenden alljährlich ins Ausland bis über das Weltmeer, um den Geschmack und die Bedürfnisse dieser fernen Käufer zu studieren, damit unsere Industrie jederzeit auf der Höhe der Situation bleiben kann.

Nasen- und Rachenkrankheiten bei Kindern.

In ärztlichen Kreisen wird eines Mittels Erwähnung getan, welches bei der Behandlung der Nasen- und Kehlkopferkrankunqen in neuester Zeit ausgedehnte Anwendung findet, nämlich des sogenannten Adrenalin. Dasselbe besteht aus Nebennierenextrakt und besitzt fürwahr wunderbare Eigenschaften. Die hervorstechendste ist die zusammenziehende Wirkung desselben auf die Blutgefäße, welche seine Anwendung gerade in der Kinderpraxis so beliebt gemacht hat. Das Hineinsehen in eine kindliche Nase, wenn dieselbe geschwellt ist, war bisher so gut wie unmöglich. Nach Benetzung der Schleimhaut mit dem Mittel wird die engste Nase zugänglich, und man kann daher viele Erkrankungen der kindlichen Nase erkennen und mit Erfolg behandeln, was bisher direkt unmöglich war.

Wir können es uns an dieser Stelle aber nicht versagen, unsere Leserinnen, speziell die fürsorglichen Mütter, auf die enorme Wichtigkeit der Erkrankungen der Nase, der Mandeln und der Rachenmandel aufmerksam zu machen. Verdacht auf diese Erkrankungen muß der Umstand erwecken, daß das Kind Nachts mit offenem Munde schläft und hörbar durch den Mund atmet, das heißt schnarcht: Ist dies der Fall, so besteht sicherlich im Nasenrachenraume irgend ein Hinderniß, wie Polypen der Nase, übergroße Mandeln oder eine vergrößerte Rachenmandel. Alle diese Zustände führen zu schweren Folgeerscheinungen. Die Kinder bleiben in der geistigen wie körperlichen Entwicklung auffallend zurück. Sie können in der Schule dem Unterrichte nicht mit der nötigen Aufmerksamkeit folgen, sie werden apathisch, verlieren die Lust am Spiel, bekommen einen bösen Gesichtsausdruck und so weiter. Der geübte Arzt erkennt an dem Aussehen dieser Kinder, das sehr charakteristisch ist, sofort die Art des Leidens. Es ist noch nicht lange her, daß man diese Wucherungen im Nasenrachenraume mit den eben geschilderten Erscheinungen eines scheinbaren Schwachsinnes in Verbindung brachte und in der Beseitigung der Wucherungen durch eine kleine, schmerzlose Operation ein einfaches Mittel zur Beseitigung dieses Krankheitskomplexes fand. Alle derartigen Wucherungen müssen entfernt werden, sollen die Kinder ihre Gesundheit wieder erlangen.

Große Mandeln haben aber auch noch andere Nachteile. Sie bilden eine ständige Gefahr für Infektionen dar. Es ist nachgewiesen, daß sich die verschiedensten Mikroben gerade in den vergrößerten Mandeln mit Vorliebe aufhalten. Kommt nun, was ja häufig der Fall ist, eine Entzündung der Mandeln durch Verkühlung u.s.w. zustande, so bekommen die schlummernden Bakterien Leben und infizieren von da den ganzen Körper. Speziell bei der Tuberkulose ist diese Art der Infektion nicht selten. Darum weg mit großen Mandeln. Die zahllosen Halsentzündungen und die Neigung zu Katarrhen verschwinden, sobald die Mandeln entfernt sind. Dasselbe gilt natürlich von der sogenannten Rachenmandel, die dem Auge nicht, wohl aber dem tastenden Finger zugänglich ist.

Eine besonders große Gefahr bilden solche Hypertrophien aber bei allen Krankheiten, bei denen sich im kindlichen Kehlkopfe und Rachen, der ohnehin sehr klein ist, Exsudate bilden, wie zum Beispiel bei der Diphtheritis. Im Nu wird da der Kehlkopfeingang versperrt und das Kind droht zu ersticken. Kindern mit großen Mandeln sind demnach bei der Diphtheritis besonders gefährdet.

Das Diphtherieserum, dessen Wirksamkeit kaum noch bestritten wird, bewirkt gerade bei solchen Fällen eine rasche Abschwellung und rettet