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Kochschule und Ratgeber für Familie & Haus

Autorenkollektiv, Verlag von Th. Schröter, 1903-1905

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Wohnräume betritt: so glaube sie es nur. Denn sollte es tatsächlich auf die Ruhe ihrer Nerven, die sie zu suchen kommt, wenn sie seine Schwelle überschreitet, die schöne Harmonie ihrer Stimmung, die man von ihr erwartet, von derselben Einwirkung sein, ob sie einen freundlichen, hellen Raum betritt, dessen Beleuchtung sie nach ihrem Bedürfnis sanft herabzudämpfen vermag, ob Ordnung und Harmonie sie grüßen, wohin ihr Auge blickt, bevor es sich zur Ruhe schließt, und Sonnenschein aus den Ritzen der Gardinen hervorlugt, freundliche Bilder von den Wänden lächeln, wenn es sich wieder öffnet, oder ob sie in das trübe Grau jener vier Wände flieht, in deren Ausstattung, in deren Atmosphäre sie nicht notwendig zu haben glaubte, etwas Anheimelndes hineinzulegen, weil sie sich ja "nur hier anzieht", und das verlassen zu können sie sich unwillkürlich schon sehnt, bevor sie es nur betreten? ...

Es gibt Frauen, denen man ihr kaltes, trübes, licht- und poesieloses Toilettenzimmer den ganzen Tag lang ansehen kann; nicht blos ^[richtig: bloss] an ihrer Toilette selbst....

Die Unbehaglichkeit der Umgebung wird die Sorgfalt wesentlich beeinträchtigen, die ihr gewidmet wird, das mangelhafte Licht sie selbst noch erschweren und die zweifelhaften Erfolge werden noch einen tiefer gehenden Einfluß geltend machen.

Mit der Sorgfalt für das Toilettenzimmer wird stets dasjenige für die Toilette selbst vernachlässigt.

Und doch ist es so leicht, sich diese Vorbedingung einer freundlichen, gemütlichen Stimmung und diese wesentliche Stütze einer guten Toilette zu verschaffen. Zunächst bringe es die Frau vom Hause über ihr Herz, für das Schlaf-und Toilettenzimmer einen geräumigen, freundlichen Raum zu wählen, selbst auf die Gefahr hin, daß die Fenster desselben einmal nicht auf den Hof hinausgehen. Das Zimmer sei groß, um im Interesse der häuslichen Ordnung alle seiner Bestimmung dienenden Requisiten aufnehmen zu können; da, wo in die Wände eingelassene Schränke vorhanden sind, die eine etwaige Ueberfülle an denselben vermeiden lassen, ergeben sich für die Einrichtung bedeutende Vorteile. Nach Aufnahme aller Requisiten wird nämlich an ihr möglichst gefälliges Arrangement gedacht und hier ist eine gewisse Freiheit der Wände, namentlich ihrer Ecken, von Wichtigkeit. Bildet das Zimmer einen so großen Raum, daß eine Teilung möglich ist, so wird es gut sein, Schlaf- und Toilettenzimmer zu teilen. Eine bewegliche Wand von weißem Mousselin mit farbiger Unterlage möge sie trennen. Auf einer Seite das Bett mit seinen schneeigen Gardinen, Nachttisch und Chiffonnière. An der Wand Familienbilder und ein Bücherbrett - auch ein zierlicher Tisch mit einer Pendule und einem gefälligen Toilettenkissen findet hier seinen Platz.

Ueber den Garderobeständer in der Ecke, bestimmt die abgelegte Toilette am Abend geeordnet ^[richtig: geordnet] aufzunehmen, fällt ein Mantel von weißem Stoff; ein warmer Teppich breitet sich vor dem Bett aus.

Und nun dort die Ecke - "Toilettenzimmer". Wie traulich und anheimelnd kann sie gestaltet werden: Und das ohne jeden Luxus, denn der bleibt vom "einfachen" Toilettenzimmer gänzlich ausgeschlossen. Ein einfacher Toilettentisch von schlichtem, weißem Holz, dessen zierliche Bekleidung mit weißem Mull oder hellgrundigem Perkal durchaus keinen Dekorateur erfordert, sondern von der geschickten Frauenhand selbst drapiert werden kann.

Als Sitzplatz davor einen gleichfalls mit Stoff bezogenen Korbsessel, dessen Polster abzuheben ist und sich sodann als Deckel eines hübschen Korbes erweist, in welchem das gebrauchte Weißzeug verwahrt werden kann, von ihm aus mit der Hand zu erreichen, ein Arbeitskorb auf einem Ständer, und in der Nähe das massive gediegene Spind, das in seiner breiten Hälfte Wäscheschrank ist und in der andern der Aufnahme der Kleider dient. Die stellbare Wand, die des Morgens nach dem Aufstehen die "Schlafzimmerecke" verbirgt, entfernt jenes Unbehagen, welches sich unserer im Eindruck eines unaufgeräumten Zimmers zu bemächtigen pflegt, und die nun am Toilettentisch sitzende Frau wird in ihrer geordneten Umgebung in ganz anderer Stimmung für ihre Erscheinung Sorge tragen, als es in dem Bemühen geschähe, so rasch als möglich dem unbehaglichen Raume entrinnen zu können.

Und zu einem solchen Toilettenzimmer gehört kein Reichtum, gehört ganz und gar nichts von Luxus. (Fortsetzung folgt.)

Nützliche Lebenszwecke und Arbeit der Frau.

Auch das Weib hat Beruf und Arbeitspflicht; darin soll es sich betätigen und die schöne Erscheinung der sanft wirkenden, die Häuslichkeit verwaltenden Behüterin der Sitte darstellen. Ist ein Weib einmal schön oder wohlgefällig, so wird es im Stande der Nichtwohlhabenheit auch durch die Spuren einer roheren Arbeit der Hände nicht verunziert, sondern nur zu seinen Gunsten gekennzeichnet; ist es wohlhabend, so wird eine rohe Arbeit es nicht berühren, aber es wird den belebenden, anmutigen, frischen Geist der Arbeitsamkeit in Miene und Haltung tragen und dadurch seine körperlichen Reize erhöhen. Berufs- und Arbeitslosigkeit erzeugt Langeweile und erweckt einseitige Triebe und Leidenschaften; Langeweile flacht das Gesicht ab und gibt ihm den Ausdruck der schläfrigen Träg- ^[folgende Seite]