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Kochschule und Ratgeber für Familie & Haus

Autorenkollektiv, Verlag von Th. Schröter, 1903-1905

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breiten Einschnitten, hinterklebt den Stoff mit starkem Papier - ohne aber die Einschnitte zu verschließen - und verschönert das Ganze mit Schnüren, Quasten, Schleifen etc., die Fläche selbst mit kleinen aufgemalten Streublumen und hängt alles so auf, wie oben beschrieben. Die Karten und Briefe werden mit einer Spitze schräg in die Einschnitte gesteckt.

Aus der Entstehungsgeschichte der Wurst.

Unter Wurst versteht man ein vorwiegend aus Fleischteilen bestehendes Gemengsel, das in einen Darm gefüllt wurde und dann durch einen Koch- oder Räucherprozeß dem Menschen mund- und magengerecht gemacht ist. Der Verdauung bereitet sie schon deswegen im allgemeinen keine Schwierigkeit, weil ihre Bestandteile vorher hinreichend zerkleinert wurden, sich also nicht als Last für den Magen herausstellen können. Sonst hängt jedoch sowohl der gesundheitliche als auch kulinarische Wert vorwiegend von den Ingredienzien ab, deren man sich zu ihrer Herstellung bediente. Wie sehr in letzterer Hinsicht nur zu oft gefehlt wird, davon weiß jeder ein Lied zu singen, der einmal von schlechter Wurst gegessen hat. Der Gesundheit schädlich, weil schwer zu verdauen, ist sie übrigens ferner, wenn sie zu hart geräuchert wurde. Schließlich soll wirklich gute Wurst auch nicht gerade überreichlich von Fettteilen durchsetzt sein. Die Hauptsache aber bleibt, daß frisches, von jedem Tadel freies Fleisch in den Darm gefüllt werde, nicht aber vom Zahn der Zeit bereits angekränkeltes oder gar allerhand zweifelhafte Abfälle. Dabei erinnere ich mich jenes Fleischersöhnchens, das, nachdem es einige Zeit der häuslichen Wurstbereitung zugeschaut, plötzlich sagt: "Du, Vater, jetzt weiß ich erst, warum die Wurst eigentlich eine Haut hat!"

"Na also, warum denn?"

Damit man nicht sieht, was alles darin ist!"

Selbstverständlich hat die Wurst ihre Geschichte, gerade so wie jede andere Speise oder Schüssel, die einen ähnlichen Grad gastronomischer Berühmtheit u. Vervollkommnung erreichten. Schon die Griechen unterschieden ganz bestimmte Arten von Wurst, je nachdem das Gemengsel war, aus dem die Füllung bestand. Vorwiegend scheinen sie sich doch auf Arten beschränkt zu haben, die etwa unserer heutigen Blut- und Cervelatwurst entsprechen. Die Römer erweiterten dann dies Gebiet; aus Unteritalien bezogen sie eine ganz vorzügliche Bratwurst, und durch die Gallier lernten sie schließlich noch die von ihnen beinahe überschwänglich geschätzte Knackwurst kennen.

Wurst wird bei den Kulturvölkern und zu jeder Jahreszeit gegessen. Allein niemals mundet sie so vorzüglich wie in den Dezembertagen, der allgemeinen Schlachtzeit, wo fast jeder irgend bemittelte Haushalt, wenigstens auf dem Lande und in den kleineren Städten, sein eigenes Wurstessen veranstaltet. In den Großstädten mit den oftmals so sehr beengten Wohn- und Küchenräumen ist das freilich nicht gut möglich. Hier muß man sich damit begnügen, die so beliebte frische Wurst vom Schlächter zu beziehen oder in ein Restaurant zu gehen, um an einem Wurstessen teilzunehmen. Daß selbstverständlich die zu Hause verfertigte Wurst im allgemeinen um vieles besser schmecken dürfte, wird Niemand Wunder nehmen. Aber leicht ist Wurstmachen keineswegs, und wer nicht darin eine gewisse Uebung besitzt, der lasse lieber die Hand davon und sichere sich die nötige Hilfe.

Uebrigens braucht man sich ja auch nicht sofort mit den mühevolleren Sorten zu befassen, die noch dazu auf längere Dauer berechnet sind, sondern beschränkt seine Tätigkeit auf jene, mit denen man leichter fertig wird. Das Gemengsel ist bald hergestellt, ganz gleich, zu was für Bestandteilen man sich entschließt. In den Darm ist es auch schnellstens gefüllt, den man darauf zubindet, um die nunmehr fertige Wurst in kochendes Wasser zu tun und hier die gehörige Zeit sieden zu lassen. Es gibt wirklich kaum etwas Schmackhafteres und leichter zu Verdauendes, als so eine im eigenen Haushalte hergestellte Wurst.

Ein sehr großer Verehrer guter Wurst war Goethe. Zumal hoch schätzte er eine Sorte, die sogenannten "Schwartenmagen", die aus weißgekochten Schwarten, etwas Blut und fettem Schweinefleisch, all' dies angemessen gewürzt und dann in einen Darm gefüllt, bestehen. Sie waren schon damals eine Spezialität der Frankfurter Küche, und fern der Heimat, hat der damals noch junge Goethe überall den Ruhm der Schwartenmagen verkündet. Charlotte von Stein wußte zwar eine den Gaumen berückende Bratwurst zu bauen, allein ein Ersatz für die Schwartenmagen waren sie dem Freunde trotzdem nicht. Er beschrieb ihr das Gericht, und sie versuchte es auch nach dieser Schilderung herzustellen; allein es muß doch wohl nicht ganz nach dem Geschmacke des Gastrosophen ausgefallen sein. Sein Diener bat nun die Frau Rat um das Rezept; doch diese sah sich außer stande, den Wunsch zu erfüllen. Die Frankfurter Schlächter hatten nämlich unter einander das Abkommen getroffen, keinem, der nicht zu ihrer Gilde gehörte, davon Mitteilung zu machen. Die von ihnen verfertigten Schwartenmagen besaßen ja einen Weltruf; Fremde, die in die alte freie Reichsstadt kamen, begehrten meistenteils sofort davon zu essen; da würde man sich natürlich wohl hüten, das Geheimniß der Herstellung so ohne weiteres preiszugeben. Aber