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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Archaisch - Archangelsk

den Methodisten thätig. Als bald nach der Durchführung der Reformbill von 1867 eine emancipatorische Bewegung unter den ländlichen Arbeitern ausbrach, wurde A. deren anerkannter Führer. 1872 begründete er als Centralorgan der Bewegung die "National Agricultural Labourers' Union" und widmete seitdem seine ganze Kraft einer agitatorischen Thätigkeit, welche die Anerkennung der polit. Rechte und die Besserung der wirtschaftlichen Lage der ländlichen Bevölkerung zum Zwecke hatte. Sein tüchtiger Charakter und seine populäre Beredsamkeit, sowie sein unzweifelhaftes Organisationstalent sicherten den Erfolg der Sache, die er vertrat. Um seinen Gesichtskreis über die Arbeiterfrage und die eng mit derselben verbundene Auswanderungsfrage zu erweitern, unternahm A. später eine Reise nach Canada. Es war ein persönlicher Triumph für ihn, als 1885 endlich die polit. Emancipation der ländlichen Arbeiter durchgesetzt wurde (s. Großbritannien und Irland). A. selbst wurde 1885 zum Unterhausmitglied für Norfolk gewählt, unterlag 1886 seinem konservativen Gegner, wurde aber Aug. 1892 wieder gewählt und schloß sich den Anhängern Gladstones an. - Vgl. F. G. Heath, The English peasantry (Lond. 1874; neue Ausg. 1883).

Archāisch (grch.), alt, altertümlich, d.h. wirklich aus alter Zeit stammend, während Archaistisch das nachgemacht Altertümliche bezeichnet (s. Archaismus).

Archäische Formationsgruppe, eine über 30000 m mächtige Schichtenreihe, die aus einem untern Komplex von Gneisen, Hornblendeschiefern und krystallinischen Kalksteinen und einem obern aus Glimmer-, Quarzit-, Chloritschiefern und Phylliten besteht. Ersterer ist die Urgneisformation (s. d.), letzterer die Urschieferformation (s. d.). Sie stellen die Ablagerungen des ältesten irdischen Meers dar und werden von der untersten versteinerungsführenden Formation, dem Cambrium, überlagert. Reste von organischen Wesen kennt man aus dieser Gruppe noch nicht (s. Eozoon), daher die andere Benennung Azoische Formationsgruppe. Die A. F. dürfte überall auf der Erde vorhanden sein, wenngleich sie oft auf große Strecken durch jüngere Gebilde bedeckt ist; sie bildet das wahre Grundgebirge der Erdkruste (daher Fundamentalgneis bei engl. Geologen), über dem alle jüngern Formationen nur eine dünne Decke bilden.

Archaïsmus (grch., "Altertümlichkeit"), der Gebrauch von Worten, Formen und Wendungen, die in Umgangssprache und gewöhnlicher Prosa veraltet sind. Die Dichtersprache, die überhaupt Altertümlichkeiten der Sprache länger bewahrt, braucht solche Archaismen häufig, die Prosa mehr zu besondern Zwecken, namentlich um alte Zeiten auch durch die Sprechweise dem Leser recht lebendig vorzuführen (z. B. Scheffel im "Ekkehard", Freytag in den "Ahnen", R. Wagner). (S. auch Archaisch.)

Archaïstisch, s. Archaisch.

Archaïstischer Stil heißt in Bezug auf die antike Kunst diejenige Stilart späterer Zeit, welche die Strenge, Steifheit und übermäßige Zierlichkeit der altertümlichen Kunst wiederzugeben sucht. Man spricht in gleichem Sinne auch von einem hieratischen Stil, weil diese Behandlung sich hauptsächlich bei Bildwerken angewendet findet, welche für die Zwecke des Kultus, als Tempelbilder, Weihgeschenke u. dgl. bestimmt waren, Häufig ist es schwer, archaistische Monumente von einfachen Kopien altertümlicher Werke zu unterscheiden.

Archangel, s. Archangelsk.

Archangelĭca Hoffm. Pflanzengattung aus der Familie der Umbelliferen (s. d.) mit wenigen Arten in der nördlich gemäßigten Zone. Die in Deutschland vorkommende echte Engelwurz, A. officinalis Hoffm., ist eine perennierende bis zu 2 m hohe Pflanze mit mehrfach gefiederten Blättern. Die angenehm aromatisch riechende Wurzel ist als Radix Archangelicae offizinell und wird vielfach bei Bereitung von Liqueuren als magenstärkendes Mittel zugesetzt. (S. Angelikawurzel.)

Archangelsk oder Archangel. 1) Das größte und nördlichste Gouvernement im Europäischen Rußland, südlich vom Eismeer mit dem tief eindringenden Weißen Meere, östlich von Finland, nördlich von Olonez und Wologda, westlich vom Ural gelegen, hat mit Nowaja Semlja und andern Inseln des Eismeers 858930,4 qkm, d. i. ungefähr 7,5 Proz. von ganz Europa und mehr als das Doppelte des preuß. Staates, aber nur (1885) 315730 E., darunter 32020 Stadtbewohner. Abgesehen von den Westabfällen des Urals, den östl. Zweigen des norweg. Gebirges und den Felshöhen der lappländ. Halbinsel Kola sowie von den isolierten Höhenzügen des Pai-Choi und der Timanischen Berge (von 300 m Höhe), gehört das Land der osteurop. Tiefebene an, hat großenteils den Charakter des polaren Sibiriens, in seinem westl. Teil jedoch vorwiegend denjenigen Finlands (s. Kola) und ist reichlich bewässert durch die Petschora, den Mesen, die Dwina, den Onega und unzählige kleinere Flüsse, sowie besonders im westl. Teile durch sehr viele größere und kleinere Seen. Das Gouvernement hat Gold-, Silber-, Blei-, Kupfererze, Naphtha u. s. w., welche jedoch nur mangelhaft ausgebeutet werden. Der Süden gehört der Region der Wälder und der Viehzucht an, aber nordwärts gehen Tannen, Fichten, Birken, sibir. Cedern und Lärchen nach und nach in kriechendes, dürftiges Gesträuch über. Strecken, die nur mit Renntierflechten überzogen sind, werden im Norden immer häufiger (s. Tundra). Ungeheure Landstrecken liegen völlig menschenleer. Etwa fünf Achtel des Areals sind ganz unfruchtbares Land, nahezu ein Drittel Wald. Die Krone besitzt ein Waldareal von 43 Mill. Dessätinen. Auf Kulturboden kommen kaum 880 qkm, auf Wiesen und Weiden nur 1700 qkm. Das Klima ist sehr rauh; die mittlere Jahrestemperatur von A. ist 0,37° C. Der Winter dauert 8 Monate und ist so streng, daß selbst das Meer gefriert; der kurze Sommer ist heiß, oft naß. Der kürzeste Tag dauert in der Hauptstadt 3 Stunden 12 Minuten. Lappen und Karelier leben im Kemskischen Kreise, Samojeden und Syrjänen im Osten, zwischen ihnen angesiedelte Russen. Die Hauptbeschäftigung bilden Fischfang und Jagd auf Land- und Wasserpelztiere und Vögel, die auf den Seen nisten. Das wichtigste Jagdtier ist der freilich an Zahl sehr abnehmende Polarfuchs, selten ist der gemeine Fuchs, seltener der Wald- und Eisbär, Hermelin, Baummarder, Vielfraß, Flußotter, Eichhörnchen, Hase. Zobel, Biber und Elen sind fast ganz vertilgt. Der Wolf ist häufig. Bedeutend ist die Jagd auf Robben, Walrosse und Delphine, sowie der Fischfang an der Küste, namentlich an der Murmanschen. Außerdem werden Schiffbau, Teer-, Leinen-, Matten-, Leder- und Talgfabrikation betrieben. Ackerbau findet sich in den südl. Kreisen, Viehzucht in den Kreisen Cholmogory, Mesen, Pinega, teilweise A. Die Industrie ist gering; zu erwähnen sind die Sägemühlen, welche für