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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Essigälchen; Essigäther; Essigbaum; Essigdorn; Essige, aromatische; Essige, medizinische

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Essigälchen - Essige, medizinische.

und namentlich bei häufigen Gewittern leicht Betriebsstörungen eintreten. Die Fuselöle werden nicht oxydiert und gehen also in den E. über. Die neuere Zeit hat mehrfache Modifikationen der Schnellessigfabrikation gebracht, denen große Vorteile nachgerühmt werden.

Der reine Schnellessig ist farblos, wird aber häufig, um ihn dem Weinessig ähnlich zu machen, mit Karamel gelblich gefärbt, auch wohl mit Glycerin versetzt. Gewöhnlicher guter Speiseessig enthält 4 Proz., Weinessig etwas mehr, Essigsprit bis 10 Proz. Essigsäure. Nach Pasteurs Verfahren, welches auf rationeller Kultur des Essigferments beruht, füllt man hölzerne, am obern Rand mehrfach durchbohrte Bottiche von ca. 200 L. Inhalt mit einer Mischung von Spiritus, Wasser und E., welche 2 Volumprozent Alkohol enthält, setzt als Nährsalze für den Pilz 0,01 Proz. phosphorsaures Kali, 0,01 Proz. phosphorsauren Kalk, 0,01 Proz. phosphorsaure Magnesia und 0,02 Proz. phosphorsaures Ammoniak zu, säet den Pilz auf dieser Flüssigkeit aus und bringt dieselbe und den Fabrikationsraum auf 30°. In 12-36 Stunden ist die Oberfläche der Flüssigkeit mit einer Pilzhaut bedeckt, und nun steigt die Temperatur auf 34°, und der tägliche Säurezuwachs beträgt 0,2-0,4 Proz. Die zugesetzten 2 Volumprozent Alkohol liefern 1,7-1,8 Essigsäure. Ist der Alkoholgehalt auf 0,5-0,3 Proz. gefallen, so fügt man von neuem Spiritus zu und zwar täglich 0,4 Proz., welcher zuvor stark mit E. verdünnt und dann durch eine vielfach durchlöcherte Porzellanröhre eingegossen wird, die in der Mitte des Bottichs steht. Hat der E. endlich die gewünschte Stärke erreicht, so wird er auf ein Klärfaß abgelassen und der Bottich nach sorgfältiger Reinigung neu beschickt. Dies Verfahren arbeitet unter günstigen Verhältnissen doppelt so schnell wie die Schnellessigfabrikation, kostet weniger Anlagekapital und erfordert geringern Raum. - In neuerer Zeit kommt aus Holzessig dargestellte sehr reine Essigsäure als Essigessenz in den Handel, welche, stark mit Wasser verdünnt, einen vorzüglichen Tafelessig liefert.

Der E. wird in der Technik in großen Mengen zur Darstellung von Essigsäure, Bleizucker, Bleiessig, Bleiweiß, Grünspan und essigsaurer Eisenbeize für die Färbereien benutzt. In diesen Fällen kommt lediglich sein Gehalt an Essigsäure in Betracht, während beim Tafelessig außerdem der Geschmack von Wert ist. Als Zusatz zu Speisen eignet sich am besten Weinessig, zum Konservieren von Früchten, Fleisch etc. guter Schnellessig. Den Gehalt des Essigs an Essigsäure kann man nicht mittels des Aräometers bestimmen, weil dessen Angaben auch durch den Gehalt des Essigs an allerlei Extraktivstoffen beeinflußt werden, welche, wie die Essigsäure, das spezifische Gewicht erhöhen. Branntweinessig ist stets spezifisch leichter als der aus nicht destillierten Flüssigkeiten dargestellte E. Man muß daher, wenn man den Gehalt des Essigs an Essigsäure kennen lernen will, untersuchen, wieviel Alkali erforderlich ist, um die Säure in einer abgemessenen Menge E. abzustumpfen, zu neutralisieren. Hierzu bedient man sich des Acetometers (s. d.). Verfälschungen des Essigs kamen früher häufiger als jetzt vor: man ersetzte in schlechtem E. den fehlenden Essigsäuregehalt durch Schwefelsäure oder Salzsäure und gab dem E. auch wohl durch Gewürze, wie Seidelbast, Pfeffer, Senf, einen scharfen Geschmack. Bei den Fortschritten, welche die Essigfabrikation in letzter Zeit gemacht hat, sind derartige Sudeleien nur noch wenig zu fürchten, wenn man nicht den E. aus einer an sich verdächtigen Quelle bezieht.

Bei der Verwendung des Essigs in den Haushaltungen sind gewisse Vorsichtsmaßregeln zu beachten. Niemals darf man in kupfernen, messingenen oder zinnernen Gefäßen E. lange stehen lassen, ebensowenig Speisen, die mit E. bereitet wurden. Das Email eiserner Geschirre ist bisweilen und die Glasur von Thongeschirr gewöhnlich bleihaltig, und E. kann, wenn er lange in solchen Gefäßen steht, Blei aufnehmen, aus Thongeschirr besonders dann, wenn dieses schlecht gebrannt ist. Glas und Porzellan eignen sich stets am besten zur Aufbewahrung des Essigs. Über Holzessig s. d. Geschichtliches s. bei Essigsäure. Vgl. Fontenelle, Handbuch der Essigfabrikation (6. Aufl., Weim. 1876); Balling, Die Bereitung des Weins und die Essigfabrikation (Prag 1865); Bronner, Lehrbuch der Essigfabrikation (Braunschw. 1876); Pasteur, Der E. und seine Fabrikation (das. 1878).

Essigälchen, s. Aaltierchen.

Essigäther, s. Essigsäureäther.

Essigbaum, s. Rhus.

Essigdorn, s. Berbers.

Essige, aromatische (Kräuteressige), namentlich in Frankreich sehr beliebte Mischungen und tinkturenartige Präparate, die in der Küche zu Salaten, Mayonnaisen, Saucen etc., zu säuerlichen Getränken, für die Toilette, als Waschmittel, zum Sprengen und zu Räucherungen angewandt werden. Sie werden dargestellt, indem man gewürzige Stoffe mit starkem Essig etwa drei Tage stehen läßt, dann abpreßt und filtriert oder auch die entsprechenden ätherischen Öle in Essig auflöst. Estragonessig wird aus 1 Teil vor der Blüte gesammeltem Estragonkraut und 8-16 Teilen sehr starkem Essig bereitet. Kräuteressig (Vinaigre aux fines herbes) wird erhalten aus 180 g Estragonkraut, 60 g Basilikumkraut, 60 g Lorbeerblättern, 30 g Schalotte oder Rockenbolle, 2,5 kg Essig. Der filtrierte Essig dient als Zusatz zu gutem Speiseessig. Außer diesen Essigen fertigt man noch Basilikumessig, Senfessig, Lorbeeressig, Pfefferessig etc., zur Parfümerie Rosenessig, Orangenblütenessig etc. Räucheressig bereitet man aus 5 Nelkenöl, 11 Bergamottöl, 3,75 Kassienöl, 7,5 Perubalsam, 3,75 Moschustinktur, 360 Spiritus von 80 Proz. und so viel Essig von 25-30 Proz., daß keine Ausscheidung der Öle stattfindet. Aromatischer Essig (Acetum aromaticum) besteht aus 1 Rosmarinöl, 1 Wacholderöl, 2 Zitronenöl, 2 Nelkenöl, 1 Lavendelöl, 1 Pfefferminzöl, 1 Zimtöl, 300 Spiritus, 450 verdünnter Essigsäure und 1200 Wasser. Die aromatische Essigsäure (Acidum aceticum aromaticum) besteht aus 9 Nelkenöl, 6 Lavendelöl, 6 Zitronenöl, 3 Bergamottöl, 3 Thymianöl, 1 Zimtöl, 25 Essigsäure und wird als belebendes Riechmittel benutzt. Toilettenessige werden als Zusätze zu Wasch- und Badewasser benutzt. Zu erwähnen sind besonders: Der Gesundheitsessig: 30 Benzoeharz, 3,75 Nelkenöl, 3,75 Lavendelöl, 1 Majoranöl, in 500 Weingeist gelöst, mit 1000 Essigsprit vermischt und filtriert. Der Kölnische Essig ist eine Mischung von 500 Eau de Cologne und 7 Eisessig. Der Räuberessig (Pestessig) galt früher als Schutzmittel gegen ansteckende Krankheiten und wird auch jetzt noch zum Räuchern von Krankenzimmern benutzt. Man behandelt Wermut, Raute, Pfefferminze, Rosmarin, Salbei, von jedem 22,5 g, Lavendelblüten 30 g, Engelwurzel, Kalmuswurzel, Knoblauch, Zimt, Muskatnuß, Gewürznelken, von jedem 3,75 g, mit 2 kg Weinessig und 120 g konzentriertem Essig, preßt nach einigen Tagen ab und setzt 11 g Kampfer, in 30 g Alkohol gelöst, hinzu.

Essige, medizinische, tinkturenartige Präparate, die durch Digestion oder Maceration von Arzneistoffen