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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Fasti; Fastidieren; Fastigieren; Fasti limpurgenses; Fastnacht; Fastnachtsspiele

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Fasti - Fastnachtsspiele.

Fasti (lat., Dies fasti), bei den Römern diejenigen Tage, an welchen die Vornahme gerichtlicher und überhaupt öffentlicher Verhandlungen gestattet war (im Gegensatz zu den nefasti, an welchen dergleichen verboten war); dann das Verzeichnis dieser Tage. Letzteres war für das ganze öffentliche Leben von Wichtigkeit, befand sich aber lange Zeit nur in den Händen der Patrizier (als Pontifices), die daraus manchen Vorteil zu ziehen wußten, bis Gnäus Flavius, der Schreiber eines Rechtsgelehrten, 305 v. Chr. eine Abschrift davon veröffentlichte. In der Folge wurde das Verzeichnis erweitert, indem man auch die auf jeden Tag fallenden Feste und Spiele, Märkte, Opfer u. dgl., dann, ausgehend von den Jahrestagen trauriger Ereignisse, andre kurze Notizen über geschichtliche Vorkommnisse, Geburten, Todesfälle etc. sowie Bemerkungen über den Aufgang von Sternbildern mit aufzählte. Die F. gewannen somit die Form und Bedeutung unsrer Kalender und wurden namentlich seit Einführung der Julianischen Zeitrechnung vielfach auf Stein eingegraben und öffentlich aufgestellt. Auch machte man sie zum Gegenstand gelehrter Erläuterung, und Ovid verfaßte nach ihnen in seinem "Fasti" betitelten Gedicht eine poetische Beschreibung der ersten Hälfte des Jahrs, worin der Auf- und Niedergang der Gestirne sowie die Bedeutung der einzelnen Tage und besonders der Ursprung und die Feier der Festtage behandelt werden. In Stein gegrabene F. haben sich in größern und kleinern Bruchstücken erhalten, die sich sämtlich im 1. Band von Mommsens "Corpus inscriptionum latinarum" (Berl. 1863) abgedruckt und erläutert finden. Die wichtigsten sind: das Calendarium Maffeianum (von dem ersten Besitzer Maffei so genannt), fast über alle Tage des Jahrs (auch in Orellis "Collectio inscriptionum" abgedruckt); das Calendarium Praenestinum des Verrius Flaccus, die Monate Januar bis April und Dezember enthaltend (1770 zu Präneste [Palestrina] entdeckt, zuerst hrsg. von Foggini, Rom 1779; auch bei Orelli); das Calendarium Vaticanum (März, April, August), Venusinum (Mai, Juni), Esquillnum (Mai und Juni), Farnesianum (Februar und März) u. a. (sämtlich auch bei Orelli). Auch zwei vollständige Kalender, ein amtlicher aus dem 4. Jahrh. n. Chr., geschrieben von F. Dionysius Philocalus, sowie eine christliche Umarbeitung des amtlichen Kalenders von Polemius Sylvius, sind erhalten (beide bei Mommsen abgedruckt). - Eine dritte Art von F. waren endlich diejenigen, welche auf Steintafeln eingegrabene Verzeichnisse der höhern Staatsbeamten Jahr um Jahr enthielten, also der Konsuln, der Zensoren, der Diktatoren und der Magistri equitum (F. consulares), ferner der in jedem Jahr gehaltenen Triumphe (F. triumphales) und der jeweiligen Priester (F. sacerdotales). Auch von F. dieser Art sind Bruchstücke auf uns gekommen, unter denen die F. capitolini (im 16. und 19. Jahrh. zu Rom in der Nähe des Forums ausgegraben und nach ihrem jetzigen Aufbewahrungsort, dem Kapitol, benannt) weitaus die wichtigsten sind (hrsg. von Borghese, Mail. 1818 ff., 2 Bde.). Einen Abdruck derselben besorgten Baiter (Zür. 1838) und Henzen im "Corpus inscriptionum latinarum", Bd. 1. Vgl. auch Boor, Die F. censorii (Berl. 1873); Kaufmann, Die Fasten der spätern Kaiserzeit (Götting. 1874); Wehrmann, Die F. praetorii (Berl. 1875).

Fastidieren (lat.), vor etwas Ekel empfinden, es stolz verschmähen; fastidiös, Ekel erregend oder hegend, stolz, wählerisch; Fastidiosität (auch Fastidium), Ekel vor etwas; stolze Verachtung.

Fastigieren (lat.), giebelförmig zuspitzen; Fastigation, solche Zuspitzung.

Fasti limpurgenses s. Limburger Chronik.

Fastnacht (Fastelabend), der Dienstag vor Aschermittwoch als dem Beginn der großen Fasten vor Ostern (s. Fasten). Um sich für die folgende Entbehrungszeit im voraus schadlos zu halten, kam schon im Mittelalter die Sitte auf, die F. mit Schmausereien und Trinkgelagen, Tänzen, Possen, Maskeraden, Aufzügen u. dgl. zu begehen, und selbst die nicht fastenden Protestanten haben manches davon beibehalten. In katholischen Ländern dehnt man die Fastnachtslustbarkeiten auf die ganze Zeit vom 7. Jan. bis zur eigentlichen F. aus und nennt dann diese Zeit gewöhnlich Karneval (s. d.), in Bayern und Österreich auch Fasching. Das Wort F. kommt in alter Zeit (wie im Volksmund noch heute in der Schweiz, in Schwaben etc.) nur in der Form Fasenacht oder Fasnacht (Faßnacht) vor, was auf das alte Verbum "fasen" (faseln, d. h. Possen treiben) zurückführt, so daß F. etwa s. v. w. Schwärmnacht bedeutet. Die jetzige Form, mit Anlehnung an fasten, trat zuerst in Norddeutschland auf und hat seit dem 18. Jahrh. die andre aus der Schriftsprache verdrängt. - Herrenfastnacht heißt der Sonntag Estomihi, weil am folgenden Montag das Fasten der "Herren" oder "Pfaffen" anfing; alte F. der Sonntag Invokavit, weil man anfangs erst am folgenden Morgen, also mehrere Tage später, mit dem Fasten begann.

Fastnachtsspiele, niedrig-komische Burlesken, welche im 15. Jahrh. in Deutschland entstanden, die ersten Anfänge einer weltlichen Bühne. Man erklärt ihren Ursprung dadurch am einfachsten, daß um die Zeit der Fastnacht junge Burschen verkleidet aus einem Haus in das andre zogen, um ihre Bekannten zu belustigen. Dies führte allmählich zu wirklichen Vorstellungen, die mit einem Dialog, zuletzt sogar mit szenischen Anordnungen verbunden wurden und das weltliche und komische Element, das sich bereits in den viel ältern Mysterien entwickelt hatte, in sich aufnahmen und weiter ausbildeten. Im Anfang wurden die Stücke improvisiert; der anordnende Dichter, der zugleich Schauspieler war, hieß Schausprecher. Die Spieler führten ihre ganze Garderobe, ein paar Schäferkleider und Bärte, in einem Sack mit; die Bühne stellten ein paar Bretter auf Bänken dar. Besonders blühten die F. in den süddeutschen Reichsstädten Memmingen, Augsburg, Bamberg und namentlich Nürnberg; letzteres hatte sogar ein eigens dafür gebautes Theater, freilich ohne Dach, und die Schauspieler gehörten zur Zunft der Meistersänger. Die Reihe der namhaften Dichter geschriebener F. eröffnet der Nürnberger Wappenmaler H. Rosenplüt; ihn übertrifft an ungezügelten Scherzen der Barbier und Meistersänger H. Folz, während Hans Sachs das Fastnachtsspiel zu kunstmäßigerer Gestalt erhob. Ihm nach eiferten Wickram, P. Propst und Ayrer. Eigentliche Intrige, Knoten und Handlung würde man in diesen Stücken vergebens suchen; dagegen findet man darin einen derben Witz und neben manchen Sittensprüchen auch nicht selten geradezu Unflätigkeiten. Allmählich aber gewannen die F. einen satirischen und polemischen Charakter, der namentlich zur Zeit der Reformation entschieden und besonders gegen einzelne Satzungen und Zeremonien der katholischen Kirche hervortrat. Beweis hiervon ist die vielbesprochene "Tragedia oder Spill, gehalten in dem königlichen Sal zu Pariß" (1523), worin die kaiserliche und päpstliche Gewalt in Sachen der Religion