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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Göttinger Sieben; Gottleuba; Gottlieben; Göttling; Gottorf; Gottschalk

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Göttinger Sieben - Gottschalk.

während seines Wandsbecker Aufenthalts durch Besuche und Korrespondenzen die Freunde noch einigermaßen beisammenzuhalten. Seit 1778 aber gingen alle Mitglieder ihre eignen Wege; selbst der Freundschaftsbund, in welchem Voß und der jüngere Stolberg später in Eutin beisammenlebten, löste sich mit einem gewaltsamen Bruch. Inzwischen war die kurze Periode hochfliegender Hoffnungen und Pläne, gemeinsamer Begeisterung für die talentvollsten Jünglinge des Göttinger Dichterbundes nicht ohne Nachwirkung geblieben. Der Voßsche "Musenalmanach" behauptete sich bis 1798; das beabsichtigt gewesene "Bundesbuch", welches Klopstock bevorworten sollte, erschien niemals. Die Hauptquelle für die Geschichte des Göttinger Dichterbundes bleiben die Briefe von Voß an Bruckner, Boie und namentlich an seine Braut Ernestine. - Der Name Hainbund, mit welchem der G. D. gewöhnlich bezeichnet wird, wenn auch nicht von den Bundesgliedern selbst, wird auf den Umstand zurückgeführt, daß Klopstock einmal den "Hain" (d. h. den jungen Nachwuchs, die Sängerzunft) grüßen ließ; er ist Klopstocks Ode "Der Hügel und der Hain" entlehnt und sollte die Bundesglieder als Anhänger der germanischen Bardenpoesie bezeichnen im Gegensatz zu den Nachahmern der Griechen und Römer. Vgl. R. Prutz, Der G. D. (Leipz. 1841).

Göttinger Sieben, s. Göttingen.

Gottleuba, Stadt in der sächs. Kreishauptmannschaft Dresden, Amtshauptmannschaft Pirna, 459 m ü. M., hat eine altertümliche, 1871 restaurierte Kirche, ein Heilbad mit Kursaal, Logierhäusern etc., Fabrikation von Holz- und Drahtwaren, Gerberei, etwas Bergbau und (1885) 1172 evang. Einwohner.

Gottlieben, kleiner Ort des schweizer. Kantons Thurgau (256 Einw.), am Einfluß des Rheins in den Untersee, Konstanz gegenüber, mit einem 1250 erbauten Schloß, in welchem Johannes Huß und Felix Hämmerlin gefangen saßen. Das Schloß wurde von Ludwig Napoleon, als er als politischer Flüchtling in der Schweiz lebte, restauriert.

Göttling, Karl Wilhelm, namhafter Philolog, geb. 19. Jan. 1793 zu Jena als Sohn des seiner Zeit verdienten Chemikers Joh. Friedr. Aug. G. (gest. 1809), vorgebildet auf dem Gymnasium zu Weimar, studierte seit 1811 in Jena, trat 1814 in das Korps der freiwilligen weimarischen Jäger, setzte nach dem Frieden seine Studien in Berlin unter Wolf, Böckh und Buttmann fort, fand im Frühjahr 1816 eine Anstellung als Professor am Gymnasium zu Rudolstadt und übernahm 1819 das Direktorat des neubegründeten Gymnasiums in Neuwied, welches er jedoch schon 1821 niederlegte. Von einer wissenschaftlichen Reise nach Paris zurückgekehrt, ward er 1822 in Jena außerordentlicher Professor der Philologie, hierauf 1826 Direktor des philologischen Seminars und Universitätsbibliothekar, 1829 Honorarprofessor, 1831 ordentlicher Professor, 1842 Geheimer Hofrat, 1851 auch Professor der Beredsamkeit. Seine akademische Lehrthätigkeit, in der er durch seine Frische und Innigkeit außerordentlich anregend wirkte, wurde nur durch längere Reisen unterbrochen, 1828 nach Italien und Sizilien, 1840 nach Griechenland, 1846 nach Paris und London, 1852 in Gesellschaft von Preller und Hettner nochmals nach Griechenland und Konstantinopel. G. starb 20. Jan. 1869 in Jena. Seine bedeutendsten Werke sind seine Ausgaben von Aristoteles' "Politica" (Jena 1824) und "Oeconomicus" (das. 1830) sowie die des Hesiod (Gotha 1831; 3., von H. Flach umgearbeitete Ausgabe, Leipz. 1878); sodann auf dem Gebiet der griechischen Grammatik: "Theodosii Alexandrini grammatica" (das. 1822) und "Allgemeine Lehre vom Accent der griechischen Sprache" (Jena 1835); endlich die Schriften: "Geschichte der römischen Staatsverfassung bis zu Cäsars Tod" (Halle 1840); "Thusnelda, Arminius' Gemahlin, und ihr Sohn Thumelicus in gleichzeitigen Bildnissen nachgewiesen" (Jena 1843, 2. Ausg. 1855) und "Fünfzehn römische Urkunden" (Halle 1845). Die germanistischen Abhandlungen: "Über das Geschichtliche im Nibelungenlied" (Rudolst. 1814) und "Nibelungen und Ghibellinen" (das. 1817) haben nur noch historischen Wert. Seine kleinern Arbeiten sind zum größten Teil vereinigt in "Gesammelte Abhandlungen aus dem klassischen Altertum" (Bd. 1, Rudolst. 1851, Bd. 2, Münch. 1863) und "Opuscula academica" (Leipz. 1869). Um seine Vaterstadt hat sich G. noch besonders verdient gemacht durch die Stiftung des archäologischen Museums und der sogen. "Rosenvorlesungen", d. h. Vorlesungen von Dozenten vor einem weitern Publikum im Rosensaal. Göttlings Briefwechsel mit Goethe aus den Jahren 1824-31 wurde von K. Fischer (Münch. 1880) herausgegeben. Vgl. Kuno Fischer in der Vorrede zu den genannten "Opuscula"; Nipperdey, Memoria Goettlingii (Jena 1869); Lotholz, K. W. G. (Stargarder Programm 1876); Wendt, K. W. G. und sein Verhältnis zu Goethe ("Preußische Jahrbücher" 1881).

Gottorf (Gottorp), Schloß und Stadtteil der Stadt Schleswig (s. d.).

Gottschalk (Godeschalk), altdeutscher Mannesname, s. v. w. guter Diener oder Gottes Diener. Merkwürdig sind:

1) (G. von Orbais) Theolog des 9. Jahrh., Sohn eines sächsischen Grafen, Bere, wurde infolge eines Gelübdes schon in zarter Jugend dem Kloster zu Fulda übergeben. Nachdem ihn auf seinen dringenden Wunsch eine Synode zu Mainz 829 seiner Klostergelübde entbunden hatte, ward er auf Anstiften seines Abtes Hrabanus Maurus von Ludwig dem Frommen genötigt, sie nochmals abzulegen. Im Kloster Orbais (Diözese Soissons) studierte er nun die Schriften der Kirchenväter, besonders des Augustinus, und fand sich von ihnen so angezogen, daß er nicht nur ihre Ansichten von der Erbsünde adoptierte, sondern auch die Lehre von der Prädestination (s. d.) in strengster Auffassung sich zu eigen machte. Wegen dieser Ansichten, die G. auf einer Reise nach Italien offen lehrte, von Hrabanus Maurus, der unterdessen Erzbischof von Mainz geworden war, zur Rechenschaft gezogen, erschien G. in Mainz und überreichte sein Glaubensbekenntnis dem Erzbischof; dieser aber ließ ihn sofort auf einer Kirchenversammlung daselbst 848 als Ketzer verdammen und seinem Metropolitan Hinkmar, Erzbischof von Reims, zur weitern Bestrafung überantworten. G. ward von diesem 849 seines Priestertums entsetzt und so lange gegeißelt, bis er seine Lehre schriftlich dem Feuer preisgab. Zu lebenslänglicher Kerkerhaft verurteilt, widerrief er seinen Widerruf und starb, unversöhnt mit der Kirche und ungebeugt, 868 im Gefängnis. Vgl. Borrasch, G. von Orbais (Thorn 1868); Köhler in der "Zeitschrift für wissenschaftliche Theologie" 1878.

2) Fürst der Obotriten, Wagrier und Polaben, Udos Sohn, im St. Michaeliskloster zu Lüneburg erzogen, zeigte sich erst dem Christentum feindlich, schloß dann aber mit Herzog Bernhard II. von Sachsen Frieden. Nach längerer Abwesenheit am Hof Knuts d. Gr. von Dänemark kehrte er 1043 in seine Heimat Mecklenburg zurück, gründete hier im Einvernehmen mit Erzbischof Adalbert II. von Hamburg-Bremen ein großes Wendenreich, in welchem er