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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Harnindikan - Harnsediment

(Placenta) vermittelt, sodaß also bei ihnen zu der Funktion der Atmung auch noch die der Ernährung hinzukommt. Nach der Rückbildung der Gefäße und der Beendigung des embryonalen Lebens bleibt von der H. nur der innerhalb der Bauchdecken gelegene Teil übrig, aus dem die Harnblase, wenn vorhanden, und der Harnstrang (Urachus) sich hervorbilden. Der Nabelstrang wird bei den Säugetieren von der Mutter abgebissen, verdorrt und fällt ab; bei Reptilien und Vögeln verdorrt er einfach.

Harnindikan, indoxylschwefelsaures Kalium, C8H6N.O.SO3K; es ist nicht mit dem Pflanzenindikan, dem gewöhnlichen Indikan (s. d.), zu verwechseln. Das H. findet sich oft im Harne der Pflanzenfresser in gelöstem Zustande. Beim Erwärmen mit Säuren zerfällt es in Kaliumsulfat und Indoxyl (s. d.), das durch sehr geringe Mengen von Oxydationsmitteln (Chlorkalk- oder Eisenchloridlösung) in Indigo übergeführt wird. Die Indoxylschwefelsäure zählt zu den im Harne häufig auftretenden sog. gepaarten Schwefelsäuren, d. h. sie ist eine esterartige Verbindung des phenolartigen Indoxyls mit der Schwefelsäure.

Harnisch, Panzer, Krebs, Küraß, der zum Schutz des Oberleibes bestimmte Teil der Rüstung (s. d.), setzt sich aus Brust- und Rückenstück zusammen, die bisweilen gelenkartig miteinander verbunden sind. Bei den Griechen bestand der H. (thorax) aus Platten von Bronze; die Römer hatten zunächst den H. aus starkem Leder (lorica), später den aus Leder bestehenden, mit metallenen Schuppen besetzten, sowie den aus bronzenen Platten gebildeten H. Im frühern Mittelalter trug man das Ringhemd, ein mit nebeneinander genähten kleinen Eisenringen besetztes Lederwams, später das aus Draht geflochtene Panzerhemd. (S. auch Helmbrünne und Brigantine.) Vom 14. Jahrh. ab kam der Plattenharnisch aus Stahl in Gebrauch. Bisweilen heißt H. auch die ganze Rüstung.

Harnisch oder Spiegel nennt man in der Geologie bisweilen auftretende glatte oder gestreifte Flächen, die durch gegenseitige Reibung der an der Verwerfung aneinander vorbei bewegten Gesteinsmassen aus diesen entstanden sind.

Harnischkraut, s. Androsace.

Harnlassen, unwillkürliches, s. Enuresis.

Harnleiter, s. Harn (S. 824 a) und Nieren.

Harnrezipient, flaschenförmger Apparat aus Kautschuk, welcher zur Verhütung der Verunreinigung bei unwillkürlichem Harnabfluß vermittelst Riemen in der Schamgegend befestigt wird und den Urin aufnimmt.

Harnröhre, s. Geschlechtsorgane (Bd. 7, S. 897 b) und Harn (S. 824 a).

Harnröhrenschnitt, s. Urethrotomie.

Harnröhrenverengerung, s Striktur.

Harnruhr, s. Diabetes.

Harnsäure, Blasensteinsäure, eine organische Säure von der Zusammensetzung C5H4N4O3, die sich im Muskelsafte, im Blute und im Harne des Menschen und der Fleischfresser vorfindet. Die Pflanzenfresser scheiden an Stelle der H. meist Hippursäure ab. Die vom Menschen täglich erzeugte Menge beträgt 0,5 bis über 2 g. Sehr viel reichlicher findet sich die H. in den Exkrementen der Vögel (im Guano), Schlangen, Krokodile und Insekten. Beim Stehen des Harns an der Luft und beim Abkühlen scheidet sich H. in Krystallen aus; bei krankhaften Zuständen (bei Gicht) geschieht das auch im Organismus; es bilden sich Harnsteine und Gelenkkonkretionen. Zur Darstellung der H. benutzt man am besten Guano oder Schlangenexkremente, die fast gänzlich aus dem sauren Ammoniumsalz der H. bestehen. Man kocht dieselben bis zur Vertreibung des Ammoniaks mit sehr verdünnter Natronlauge, filtriert und fällt die heiße Lösung des Natronsalzes mit Schwefelsäure. In reinem Zustande ist H. ein weißes Pulver, das aus kleinen Krystallschuppen besteht. Sie ist geruch- und geschmacklos, unlöslich in Alkohol und Äther. In Wasser ist sie sehr schwer löslich; bei gewöhnlicher Temperatur bedarf sie die 15 000fache, bei Siedetemperatur die 1800fache Menge an Wasser zur Lösung. Das saure harnsaure Natron, C5H3N4O3Na, dagegen löst sich mehr als zehnmal leichter. Bei Anwesenheit von Salzen, wie Borax oder Natriumphosphat, ist die Löslichkeit der H. größer. In konzentrierter Schwefelsäure löst sie sich leicht und wird beim Verdünnen mit Wasser unverändert wieder gefällt. Zum Nachweis von H. dampft man eine kleine Menge mit Salpetersäure zur Trockne ein, der hinterbleibende gelbe Rückstand wird durch Ammoniak purpurrot, durch Natronlauge violett gefärbt (Murexidreaktion). Die H. bildet Salze, Urate; sie verhält sich wie eine schwache zweibasische Säure; das eine der vier Wasserstoffatome ist leicht (z. B. bei Einwirkung von Natriumcarbonat) durch Metalle vertretbar, wodurch die sog. sauren Salze (z. B. C5H3N4O3Na) gebildet werden; beim Lösen in Alkalilaugen wird noch ein zweites Wasserstoffatom durch Alkalimetall vertreten. Diese Verbindungen nennt man neutrale Salze. Ihrer chem. Konstitution nach gehört die H. zu der Klasse der Diureïde (s. d.) und besitzt die Konstitutionsformel:

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Ihre sauren Eigenschaften beruhen also nicht auf der Anwesenheit einer Carboxylgruppe, wie bei den gewöhnlichen organischen Säuren, sondern auf der Eigenschaft der am Stickstoff befindlichen Wasserstoffatome, durch Metalle ersetzt werden zu können. Von der H. sind auch bereits einige Synthesen bekannt. Bei der Oxydation spaltet sich die H. in Alloxan und Harnstoff, und ersteres geht bei weiterer Oxydation und Spaltung durch eine Reihe von wissenschaftlich interessanten Zwischenstufen (Parabansäure, Oxalursäure) schließlich in Kohlensäure und Harnstoff über. Da es wahrscheinlich ist, daß der Harnstoff im Harn der höhern Tiere durch ähnliche Vorgänge als letztes Zerfallprodukt aus der H. gebildet wird, so folgt daraus, daß beim Stoffwechsel der niedern, nur H. erzeugenden Tiere die Nahrung nicht so vollständig ausgenutzt wird, wie bei den höhern. In naher Beziehung zur H. stehen Guanin, Xanthin, Hypoxanthin und Carnin, die ebenfalls im Organismus als Produkte des regressiven Stoffwechsels vorkommen.

Harnsaure Dyskrasie, s. Gicht.

Harnsäure-Infarkt (Infarctus renalis), die Verstopfung der geraden Harnkanälchen der Nieren mit Harnsäure, findet sich als ein physiol. Vorgang bei Neugeborenen in den ersten 8-14 Tagen und kann Anlaß zu Harnbeschwerden geben. Der H. galt früher als ein Beweis des Lebens nach der Geburt.

Harnsediment, der Niederschlag, welcher sich aus dem Harn nach dessen Entleerung am Boden