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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Herbeck; Herberay des Essarts; Herberge; Herbergen zur Heimat

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Herbeck - Herbergen zur Heimat

urteilen sich äußernden fünf praktischen Ideen sind die der Freiheit, der Vollkommenheit, des Wohlwollens , des Rechts und der Billigkeit. Die angewandte Sittenlehre ist einerseits Pädagogik, andererseits Politik. Die fruchtbarste Thätigkeit entfaltete H. auf dem Gebiete der Psychologie durch seinen scharfsinnigen Versuch, die Vorstellungen oder innern Zustände der Seele als ebenso viele psychische Kräfte zu betrachten und deren Wirksamkeit aufeinander mathem. Maßbestimmungen zu unterwerfen. Ein besonderes Verdienst erwarb er sich hierbei durch die Bekämpfung der Lehre von den Seelenvermögen, die seit Wolf die Psychologie beherrscht hatte. Wegen der exakten Durchführung ihrer psychol. Hypothese und wegen ihrer versöhnlichen Stellung zu den empirischen Wissenschaften legt sich H.s Schule den Namen der «exakten» bei; wegen ihrer Polemik gegen den transscendentalen Idealismus Kants und seiner Nachfolger nennt sie sich die Schule des Realismus. Unter den Anhängern H.s sind zu nennen: Drobisch, Hartenstein, Exner, Strümpell, Waitz, Volkmann, Ziller, Steinthal, Lazarus, Zimmermann, Flügel u. a. Von 1860 bis 1875 hatte die Schule das Organ ihrer innern Verständigung in der «Zeitschrift für exakte Wissenschaft im Sinne des neuern philos. Realismus», hg. von Allihn und Ziller, in neuester Zeit fortgesetzt von O. Flügel. – Vgl. Drobisch, Über die Fortbildung der Philosophie durch H. (Lpz. 1876); Közle, Die pädagog. Schule H.s und ihre Lehre (Gütersloh 1889); Ernst Wagner, Vollständige Darstellung der Lehre H.s (6. Aufl., Langensalza 1891).

Herbeck, Joh., Ritter von, Tonsetzer und Dirigent, geb. 25. Dez. 1831 in Wien, erhielt Unterricht in der Musik als Sängerknabe im Cistercienserstift Heiligenkreuz bei Baden und später in Wien. Er machte sich seit 1856 besonders bekannt als Chormeister des Wiener Männergesangvereins und seit 1858 zugleich als Dirigent der Konzerte der Musikfreunde. Infolge des Einflusses, den er durch diese Stellungen ausübte, wurde er 1866 erster Hofkapellmeister, 1869 erster Kapellmeister der Hofoper und 1871 auch wirklicher oder technischer Direktor dieser Hofoper, in welcher Stellung er sich aber nur bis 1875 zu halten vermochte. Darauf wurde er abermals Dirigent der Konzerte der Gesellschaft der Musikfreunde. Er starb 28. Okt. 1877 in Wien. Als Komponist hat H. sich in verschiedenen Formen versucht, aber nur mit denjenigen Liedern, die er für seine Chorvereine schrieb, Erfolg gehabt. Auch wirkte er durch die Herausgabe nachgelassener Chöre von Fr. Schubert und durch Hebung des Repertoires der Männergesangvereine. – Vgl. Johann H. Ein Lebensbild von seinem Sohne Ludwig (Wien 1885).

Herberay des Essarts (spr. ärb’rä däsessahr), Nicolas de, ein aus picardischer Familie stammender Offizier König Franz’ Ⅰ., mit ihm 1525 in Madrid gefangen, wo er Gelegenheit hatte, den span. Roman «Amadis de Gaula» (s. Amadis) kennen zu lernen, den er auf des Königs Geheiß, nebst den ältesten Fortsetzungen, ins Französische übertrug (zuerst gedruckt in 8 Büchern, 1540‒48). Er wurde dadurch der Begründer des neuern franz. Heldenromans. H. starb um 1552.

Herberge (althochdeutsch heriberga; altfrz. herberge oder helberge; neufrz. auberge; ital. und span. albergo), ursprünglich das Kriegslager, das Einlager der Soldaten, seit der zweiten Hälfte des Mittelalters mit der allgemeinen Bedeutung von Gasthaus, Wirtshaus. Völker von unentwickelter Kultur, bei denen die Gastfreundschaft noch heilige Sitte ist, kennen und bedürfen keiner besondern Pflegestätten für Fremde, und die Ausbildung des Herbergswesens erfolgt allenthalben erst mit der Entwicklung des Verkehrs. Im Orient hat man Karawanseraien (s. d.), die dem Reisenden nur Obdach gewähren. In Griechenland, wo die regelmäßig wiederkehrenden nationalen und städtischen Feste sowie der lebhafte Verkehr in den Häfen große Menschenmassen zusammenführten, war die Einrichtung von Häusern, die Obdach boten, ein Bedürfnis. An jenen Schauplätzen der öffentlichen Spiele oder in der Nähe vielbesuchter Tempel wurde zwar vom Staate für die Unterkunft von Fremden in eigenen Räumen gesorgt, daneben aber bestanden auch Gasthäuser (πανδοκεῖα, pandokeia) als Privatunternehmungen, von denen nicht nur Leute niedern Standes, sondern auch Reiche und Vornehme, die am Orte keine Gastfreunde hatten, Gebrauch machten. Ähnlich waren die Verhältnisse im Römischen Reiche, wo wenigstens in der Kaiserzeit in allen größern Orten sowie an den großen Straßenzügen H. (cauponae oder deversoria) bestanden. Nach Einführung des Christentums im Abendlande traten zu diesen H. noch die Klöster und später die Burgen der Herren und Ritter. (S. Gastfreundschaft.) Die meisten Klöster hatten eigene, zur Aufnahme von Fremden bestimmte Räume oder Gebäude, die deshalb den Namen hospitium oder hospitale führten. (S. Hospiz.)

Mit dem Aufblühen der Städte in der zweiten Hälfte des Mittelalters, namentlich in Deutschland, wurde die Aufnahme und Verpflegung von Fremden zu einem städtischen Gewerbe, wobei sich allmählich ein Unterschied zwischen H. im engern Sinne und Gasthäusern ausbildete. (S. Gastwirtschaft.) Unter H. im engern Sinne verstand man dann vorzugsweise die Art von Gastwirtschaften, die nur für wandernde Handwerksgesellen einer oder mehrerer verwandter Zünfte bestimmt waren. Die zuwandernden Gesellen fanden in ihrer H. nicht nur ein Unterkommen, sondern erhielten auch Arbeit nachgewiesen (s. Gesell, Bd. 7, S. 928 b). Zugleich kamen in diesen Wirtschaften, die von einem Herbergsvater und einer Herbergsmutter verwaltet wurden, die im Orte arbeitenden Gesellen, vielfach aber auch die Meister zu Beratungen und Festlichkeiten zusammen. Mit dem Niedergange des Zunftwesens und seiner Einrichtungen verloren auch diese Gesellenherbergen (bisweilen «Verkehre» genannt) zum Teil ihre Bedeutung. Nicht selten wird früher H. für Mietswohnung gebraucht. – Vgl. Perthes, Das Herbergswesen der Handwerksgesellen (2. Aufl., Gotha 1883).

Herbergen zur Heimat, billige Gasthäuser mit christl. Hausordnung. Sie sollen die Handwerksgesellen vor den verderblichen Einflüssen schlechter Wirtshäuser bewahren. Die erste Anregung zur Reform des Herbergswesens gab J. ^[Johannes] H. Wichern. Die Begründung von H. z. H. betrieb mit Eifer der Professor der Rechte Clemens Perthes in Bonn, wo 1854 die erste H. z. H. eröffnet wurde. Gegenwärtig (1893) bestehen in Deutschland bereits 327 H. z. H., davon 207 in Preußen. In einigen größern Orten sind mit den H. z. H. Hospize für wohlhabendere Reisende, namentlich Damen, verbunden, welche die Unruhe, mitunter auch die hohen Preise des Hotellebens ver- ^[folgende Seite]