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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Konsumzucker; Kontagion; Kontagium

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Konsumzucker - Kontagium

von Rochdale ein glänzendes Beispiel des Gelingens gegeben, in großartiger Weise mehr und mehr entwickelt. Um den Vereinen den Bezug guter und billiger Waren zu sichern, wurde 1864 eine Großhandelsgenossenschaft in Manchester, 1868 eine zweite in Glasgow gegründet (s. Centralgenossenschaft). Von England aus haben sich die K. auch auf dem Festlande, namentlich in Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien, Belgien und Holland verbreitet. In Deutschland gelangten die K. unter dem Einfluß der von Schulze-Delitzsch eingeleiteten Genossenschaftsbewegung zu einer großen Ausdehnung, wenn sie auch hier neben den Kreditgenossenschaften erst in zweiter Linie erscheinen. Namentlich für die Arbeiterklasse haben sich die K. als sehr vorteilhaft erwiesen, indem sie größtenteils ihren Warenbetrieb außer auf Nahrungs- und Genußmittel auch auf andere Gebrauchsgegenstände, Beleuchtungs- und Heizungsmaterialien, Kleidungsstücke, Hausgeräte u. s. w. ausdehnten. Eine besondere Art von K. bildet der 1884 ins Leben getretene Deutsche Offizierverein (s. Warenhaus für Armee und Marine), der namentlich die billige Beschaffung der militär. Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände bezweckt. Auch der Deutsche Beamtenverein wirkt in gewissem Sinne als Konsumverein, indem er seinen Mitgliedern bei gewissen Lieferanten eine Preisermäßigung verschafft.

In der Regel wird das Geschäft der K. in der Art betrieben, daß die Mitglieder die in den Lagern des Vereins entnommenen Waren bar zu den gewöhnlichen Ladenpreisen bezahlen und am Jahresschluß eine nach dem Werte der von jedem gekauften Waren bemessene Dividende erhalten. Daneben besteht teilweise noch das sog. Markengeschäft, indem der Verein mit Fleischern, Bäckern u. s. w. ein Abkommen trifft, nach welchem diese den Mitgliedern einen Rabatt bewilligen und von denselben Marken in Zahlung annehmen, die der Verein gegen bar einlöst; doch ist dies Geschäft vielfach in Mißkredit gekommen, weil die Mitglieder finden, daß sie von den Lieferanten weniger gut bedient werden als das übrige Publikum. Die Konkurrenz der K. hat in den letzten Jahren mehrfach zu Protesten seitens der Kleinhändler und Handwerker geführt, welche Staatsschutz und möglichst weitgehende Beschränkung der K. verlangen. Durch Reichsgesetz vom 1. Mai 1889 (§. 8) wurde bestimmt, daß K. im regelmäßigen Geschäftsverkehr Waren nur an Personen verkaufen dürfen, welche als Mitglieder oder deren Vertreter bekannt sind oder sich als solche in der durch das Statut vorgeschriebenen Weise legitimieren. Im Interesse der arbeitenden Klassen ist jedenfalls nur die Förderung und weitere Vervollkommnung der K. zu wünschen. Eine Übersicht über die Entwicklung der deutschen K. giebt nachfolgende Tabelle.

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Jahr Anzahl der Vereine Berichtende Vereine Mitglieder Geschäftsguthaben in 1000 M. Aufgenommene Anleihen in 1000 M. Verkaufserlös in 1000 M. Reingewinn in 1000 M.

1865 157 34 6647 67 8 50 925 28

1870 354 111 45761 818 151 546 9008 451

1875 618 179 98055 2912 503 2430 22705 1258

1880 645 195 94366 3177 1036 2885 30359 2048

1885 682 162 120150 3319 1736 2892 35137 3027

1890 984 263 215420 4301 2237 4105 57044 5078

1891 1122 302 229126 4461 2361 4788 63293 5156

l892 1283 344 243529 4805 2474 5520 67201 5691

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Der größte deutsche, der Breslauer Konsumverein, zählte 1893 34 326 Mitglieder mit einem Umsatz von 9,13 Mill. M. und über 1 Mill. M. Reingewinn; Umsatz von 1866-93 über 109 Mill. M.

Der Umfang der K. in den übrigen, in Betracht kommenden europ. Ländern stellt sich folgendermaßen dar:

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Land Jahr Anzahl der Vereine Berichtende Vereine Mitglieder Geschäftsguthaben in 1000 M. Verkaufserlös in 1000 M. Reingewinn in 1000 M.

England 1891 ? 1624 1 198 369 265 170 971 535 95 480

Frankreich 1892 942 ? ? ? ? ?

Österreich 1888 236 165 53 201 16 952 16 874 ?

Italien 1889 681 174 ? 1 136 8 821 266

Holland 1886 33 25 ? 362 2381 ?

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In Belgien befinden sich die meisten K. in den Händen der socialistischen Arbeiterpartei. Von dieser Art bestehen etwa 55 K., von denen der größte der Booruit zu Gent ist; von den nichtsocialistischen K. ist der größte die Volksbelang zu Gent mit 8500 Mitgliedern i. J. 1889. - Vgl. Eug. Richter, Die K. (Berl. 1867); Pfeiffer, Die K., ihr Wesen und Wirken (2. Aufl., Stuttg. 1869); Holyoake, The history of co-operation in England (2 Bde., Lond. 1875-79); F. Schneider, Taschenbuch für K. (Lpz. 1883); Crüger, Die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften in den einzelnen Ländern (Jena 1892); Schenck, Jahresberichte über die auf Selbsthilfe gegründeten deutschen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (Leipzig).

Konsumzucker, s. Verbrauchszucker.

Kontagion (lat), Ansteckung (s. d.); Kontagiosität, die Ansteckungsfähigkeit einer Krankheit; kontagiös, ansteckend. (S. Kontagium.)

Kontagium (lat.), Mehrzahl Kontagien, Ansteckungsstoff, im Gegensatze zum Miasma (s. d.) der specifische Stoff, der sich bei gewissen Krankheiten im menschlichen oder tierischen Organismus erzeugt und dessen Übertragung auf gesunde Individuen eine gleiche Erkrankung der letztern zur Folge hat (s. Ansteckung). Die Zeit zwischen der erfolgten Ansteckung und dem ersten Auftreten krankhafter Erscheinungen, die Inkubation (s. d.), hat bei den verschiedenen kontagiösen Krankheiten eine sehr verschiedene Dauer, bei Cholera und Milzbrand höchstens 3, bei Scharlach 4-7, bei Blattern und Masern 10-14 Tage, bei Syphilis etwa 28 Tage u. s. w.

Nach den ältern Lehren sind die K. entweder fixe oder flüchtige; fixe, wenn sie nur mittels fester oder flüssiger Stoffe, an denen sie festhaften (Eiter, Stuhlentleerungen u. s. w.), übertragen werden können; flüchtige, wenn sie sich auch gasförmigen Stoffen, also z. B. der ausgeatmeten Luft, der Hautausdünstung, mitteilen und also mittels der von ihnen geschwängerten Luft anstecken.

Die Entstehungsart mancher K. ist noch unbekannt. Je nachdem die K. eine größere oder geringere Dauerhaftigkeit haben, spricht man von ihrer größern oder geringern Tenacität. Kuhpockenlymphe kann man ein Jahr und länger, eingetrocknet oder unter luftdichtem Verschlüsse, aufheben, ohne daß sie ihr Ansteckungsvermögen verliert. In Zimmern, in welchen Kranke gelegen hatten, die am exanthematischen Typhus litten, erfolgte noch Ansteckung, nachdem die Zimmer sieben Monate leer gestanden hatten; das Gleiche ist von Scharlach und

^[Artikel, die man unter K vermißt, sind unter C aufzusuchen.]