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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Mährisch-Budwitz - Mai.

Mährisch-Budwitz, Stadt in Mähren, Bezirkshauptmannschaft Znaim, an der Österreichischen Nordwestbahn, hat ein Bezirksgericht, eine alte Pfarrkirche, Spiritusbrennerei, Brettsäge und (1880) 2933 Einw.

Mährische Brüder, christliche Sekte, aus der später die Brüdergemeinde (s. d.) hervorgegangen ist. Die sogen. Böhmischen und Mährischen Brüder entstammen den Utraquisten (s. Hussiten). Peter v. Chelczicky war ein böhmischer Gutsbesitzer, der sich ein theologisches System gebildet hatte, welches er in zahlreichen Schriften (z. B. "Das Netz des Glaubens") verbreitete; ihm schloß sich Bruder Gregor an, der die Ansichten Peters läuterte. Die Anhänger beider Männer wurden von der Regierung als angebliche Taboriten verfolgt und sagten sich auf einer Versammlung beim Dorf Chotka (1467) von der katholischen Kirche völlig los. Sie lebten nun in Wäldern und Höhlen, als Grubenheimer verspottet. Gegen eine strengere Partei siegte auf der Synode von Reichenau (1494) die gemäßigte, unter Führung des Lukas von Prag (gest. 1528) stehende "Brüderunität" (unitas fratrum nannten sie sich). Die Eigentümlichkeiten derselben liegen mehr auf dem ethischen als auf dem rein dogmatischen Gebiet. Als "Brüder des Gesetzes Christi" hielten sie sich genau an die Vorschriften der Bergpredigt und verboten den Eid, Kriegsdienste, Übernahme von Staatsämtern ihren Zugehörigen. Wie die Waldenser, deren Überreste sie in sich aufnahmen, bewahrten sie mittels einer strengen Kirchenzucht ein sittlich reines und inniges, aber auch beschränktes Leben. Um 1500 mochten sie etwa 400 Gemeinden zählen. Luther tadelte 1522 ihre Sakramentslehre (die Siebenzahl und den geistigen Abendmahlsgenuß) sowie ihre Auffassung von der Heilsamkeit des Cölibats; aber auf ihre dem Markgrafen Georg von Brandenburg 1532 und dem König Ferdinand 1535 überreichten Konfessionen hin wurde sein Urteil anerkennender. Da sie sich im Schmalkaldischen Krieg weigerten, gegen ihre protestantischen Brüder Kriegsdienste zu thun, wurden sie ihrer Kirchen beraubt und vertrieben. Damals fanden ihrer viele in Preußen und Polen Zuflucht. In letzterm Land vereinigten sie sich mit den Reformierten und Lutheranern 1570 auf einer zu Sendomir abgehaltenen Synode und verloren sich allmählich unter ihnen. Die in Böhmen und Mähren Zurückgebliebenen, die sich 1575 mit den Kalixtinern, Lutheranern und Reformierten zur Abfassung eines gemeinsamen Bekenntnisses vereinigten, wurden während und nach dem Dreißigjährigen Krieg, soweit sie sich nicht zur Rückkehr zum Katholizismus zwingen ließen, vertrieben. Johann Amos Comenius (gest. 1671) war der letzte Bischof der ältern Brüdergemeinde, die sich noch zu seinen Lebzeiten vollends auflöste. Erst der Graf Zinzendorf (s. d.) hat ihr Gemeindeleben erneuert. Vgl. Lochner, Entstehung und erste Schicksale der Brüdergemeinde in Böhmen und Mähren (Nürnb. 1832); Gindely, Geschichte der Böhmischen Brüder (Prag 1857, 2 Bde.); Palacky, Über das Verhältnis und die Beziehungen der Waldenser zu den ehemaligen Sekten in Böhmen (das. 1869); Goll, Quellen und Untersuchungen zur Geschichte der Böhmischen Brüder (das. 1878); Zezschwitz, Böhmische Brüder, in Herzogs "Realencyklopädie", Bd. 2.

Mährisch-Neustadt (tschech. Unĉow), Stadt in Mähren, Bezirkshauptmannschaft Littau, an der Oskawa und der Mährischen Grenzbahn, ist Sitz eines Bezirksgerichts, hat ein Rathaus mit Archiv, eine gotische Pfarrkirche, ein Landesrealgymnasium, Fabriken für Zucker, Essig, Spiritus, Malz und Seidenzeug, Kattundruckerei und Färberei, Leinweberei, Orgelbau und (1880) 5001 Einw.

Mährisch-Ostrau, Stadt, s. Ostrau.

Mährisch-Schlesisches Gesenke, s. Gesenke.

Mährisch-Trübau, Stadt, s. Trübau.

Mahrt, s. v. w. Mahr oder Alp (s. d.).

Mahwabaum, -butter, s. Bassia.

Mahy, François Césaire de, franz. Politiker, geb. 22. Juli 1830 zu St.-Pierre auf der Insel Réunion, studierte in Frankreich Medizin, kehrte aber 1856 in seine Heimat zurück, um sich als praktischer Arzt niederzulassen; auch redigierte er daselbst eine Zeitung: "Le Courrier de Saint-Pierre". 1871 ward er in die Nationalversammlung gewählt und schloß sich der republikanischen Partei an. Seit 1876 gehörte er der Deputiertenkammer an und übernahm 30. Jan. 1882 im Kabinett Freycinet das Ackerbauministerium, das er auch unter Duclerc und Fallières behielt. Erst 21. Febr. 1883 nahm er seine Entlassung. Er schrieb: "Le régime politique aux colonies" (1878).

Mai (lat. Majus, weil er der Göttin Maja gewidmet war, Weide- oder Wonnemonat), gegenwärtig der fünfte, im altrömischen Kalender der dritte Monat des Jahrs, hat 31 Tage. Die Sonne tritt im M. in das Zeichen der Zwillinge. Der Frühling tritt im M. in das letzte Stadium der Entwickelung, und das Pflanzen- und Tierleben geht seiner höchsten Entfaltung entgegen (Rosenmonat, Wonnemonat). Der M. bringt aber auch dem Obst- und Getreidebau viele Gefahren, und die Rückfälle der Kälte (s. Herren, die drei gestrengen) werden der jungen Vegetation oft verderblich. Die mittlere Veränderlichkeit der Temperatur, d. h. der Mittelwert von allen in einem möglichst großen Zeitraum für den Monat vorgekommenen Abweichungen von der ihm zukommenden Mitteltemperatur ist ungefähr, ebenso groß wie im April, aber größer als im Juni. Sie beträgt im nordöstlichen Europa 1,7, in den baltischen Ländern 1,2, in Deutschland 1,5, in Westeuropa 1,3, in England 1,1, in Italien 1,4° C.

Mai (Majo), Angelo, ital. Philolog, geb. 7. März 1782 zu Schilpario in der Provinz Bergamo, trat 1797 in den Jesuitenorden, wurde 1813 Aufseher an der Ambrosianischen Bibliothek in Mailand, 1819 Kustos, dann Bibliothekar an der vatikanischen zu Rom, 1825 apostolischer Protonotar, später Präfekt der Kongregation des Index und 1838 Kardinal; starb 9. Sept. 1854 in Castel Gandolfo bei Albano. M. verdankt seinen litterarischen Ruf der Auffindung und Veröffentlichung verloren gehaltener Schriften des Altertums aus Palimpsesten, die er zuerst durch chemische Mittel leserlich machte. So publizierte er aus der Ambrosiana Fragmente von sechs Reden Ciceros (Mail. 1814 u. 1817), Briefe und Reden des Fronto sowie Briefe der Kaiser M. Aurelius und L. Verus (das. 1815), Fragmente aus Plautus, besonders aus der "Vidularia" (das. 1815), Isäos' Rede über die Erbschaft des Kleonymos (das. 1815), eine Rede des Themistios (das. 1816), mehrere Bücher der römischen Altertümer des Dionysios von Halikarnassos (das. 1816), Fragmente des Philon, Eusebios und Porphyrios (das. 1816), Eusebios' "Chronicorum libri duo" (das. 1818) u. a. m. In der Vaticana entdeckte er Ciceros "De republica" (Rom 1822). Seine Funde sind gesammelt in "Auctores classici e vaticanis codicibus editi" (Rom 1828-38, 10 Bde.), in "Scriptorum veterum nova collectio etc." (das. 1825-38, 10 Bde.), "Spicilegium romanum" (das. 1839-44, 10 Bde.) und "Nova patrum bibliotheca" (das. 1852-54, 7 Bde.).