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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Nitrocellulose - Nitrosamine

und schweres N., das beträchtliche Mengen Nitrotoluol enthält und in "Anilin für Rot" (zur Darstellung von Fuchsin) übergeführt wird. Das Kilogramm N. kostet im Großhandel (1896) 1,20-1,30 M.

Nitrocellulose, Xyloidin, eine Reihe von Sprengstoffen, die durch die Einwirkung von rauchender Salpetersäure und konzentrierter Schwefelsäure auf Cellulose entstehen; letztere muß zu diesem Zwecke aus den betreffenden organischen Fasern (Holzfaser, Baumwolle, Flachs, Hanf, Stroh, Holundermark, Papier u. s. w.) möglichst rein hergestellt werden. Beim Nitrieren erhält man dann je nach der Temperatur, der Konzentration der Säuren und der Zeitdauer ihrer Einwirkung verschiedene Stufen der Nitrierung mit steigender Explosionsfähigkeit, gewöhnlich als Mononitrocellulose, Bi- oder Dinitrocellulose und Trinitrocellulose bezeichnet. Die Schwefelsäure dient beim Nitrieren hauptsächlich dazu, die Salpetersäure mehr zu konzentrieren und das bei dem chem. Vorgang frei werdende Wasser zu binden. Dieser chem. Vorgang ist rein schematisch der, daß an Stelle von Wasserstoff, der in der Cellulose enthalten ist, Untersalpetersäure aus der Salpetersäure tritt:

^[Liste]

C6H10O5 + NHO3 = C6H9(NO2)O5 + H20.

Celluslose + Salpetersäure = Mononitrocellulose + Wasser.

C6H10O5 + 2NHO3 = C6H8(2NO2)O5 + 2H20.

Celluslose + Salpetersäure = Dinitrocellulose + Wasser.

C6H10O5 + 3NHO3 = C6H7(3NO2)O5 + 3H20.

Celluslose + Salpetersäure = Trinitrocellulose + Wasser.

Je nach der Herkunft der Cellulose, welche auf die Reinheit des Produkts von ebenfalls entscheidendem Einfluß ist, bezeichnet man die N. als Schießbaumwolle (s. d.), Kollodiumwolle (s. Kollodium), Nitrolignose (s. d.), Collodin (s. d.), Pyropapier oder Düppel-Schanzen-Papier (s. d.). Als Bestandteil findet sich N. in Schultzes Pulver (s. d.) und im Johnson- und Barland-Pulver (s. d.). Ein nitriertes Stärkemehl, ebenfalls Xyloidin, auch Nitrostärke genannt, bildet den wesentlichen Bestandteil des Uchatiuspulvers (s. d.). Die N. dient als wirksame Basis einer Reihe von Dynamiten (s. Dynamit).

Nitrogelatine, s. Abelite.

Nitrogenium, der Stickstoff (s. d.).

Nitroglycerin, Knallglycerin, auch Glonoin, Globoin, Nitroleum, Trinitrin, Glycerylnitrat, salpetersaures Glycerin, C3H5(NO3)3, eine explosive Verbindung, die 1847 von Sobrero (im Laboratorium vom Professor Pelouze in Paris) entdeckt, von dem schwed. Techniker Alfred Nobel 1862 fabrikmäßig dargestellt und dann unter dem Namen Nobelsches Sprengöl als Sprengmaterial in die Praxis eingeführt wurde. Durch Behandeln von 10 Teilen Glycerin mit einem Gemisch von 30 Teilen rauchender Salpetersäure und 60 Teilen konzentrierter Schwefelsäure erhält man etwa 20 Teile N. N. ist ein farbloser oder schwach gelblicher und geruchloser ölartiger Körper von 1,6 spec. Gewicht, in Wasser ist es unlöslich, löslich dagegen in Alkohol, Äther u. s. w. Auf den tierischen Organismus wirkt das N. als starkes Gift. Längere Zeit bei +8° C. aufbewahrt, erstarrt es krystallinisch und ist in diesem Zustand weniger empfindlich gegen Schlag u. s. w. Im gewöhnlichen Zustand explodiert es durch Stoß oder Schlag, ebenso durch schnelles Erhitzen mit furchtbarer Heftigkeit. Wird es dagegen an einer Stelle und in freier Luft entzündet, so brennt es meist mit lebhafter Flamme schnell, gefahrlos und ohne Verpuffung ab und zersetzt sich in Kohlensäure, Wasserdampf, Stickstoff- und Sauerstoffgas. 1 kg N. giebt 710 l Gas, 1 l N. giebt 1135 l Gas; bei gleichem Gewicht giebt somit das N. 3 1/2 mal mehr Gas als gewöhnliches Schießpulver; bei gleichem Volumen produziert es die sechsfache Gasmenge vom gewöhnlichen Pulver. Die bei der Verbrennung des N. entwickelte Wärme kann für 1 kg auf 1282000, für 1 l auf 2051000 Kalorien (nach Berthelot), die Wirkung des N. auf 628000 Kilogrammmeter geschätzt werden (Crociani). Da das N. zuweilen unter Umständen explodiert, die nicht vorhergesehen werden können, so hat Nobel an Stelle des reinen N. verschiedene Nitroglycerinpräparate (s. Dynamit) mit größtem Erfolge als Sprengmaterialien eingeführt. Das reine N. ist daher jetzt als Sprengmittel ganz in den Hintergrund getreten. Bei der Fabrikation wird besondere Sorgfalt auf die Erhaltung einer angemessenen Temperatur der Mischung verwendet. Diese wird unter Benutzung von Kühlvorrichtungen auf höchstens 30° erhalten. Das N. wird nach der Herstellung peinlichst von Säurespuren befreit, da diese selbständige Zersetzung hervorrufen.

Nitroguanidin, s. Guanidin.

Nitrokörper, organische Verbindungen, in denen ein oder mehrere Atome Wasserstoff durch NO2 (die Nitrogruppe) ersetzt sind.

Nitroleum, soviel wie Nitroglycerin (s. d.).

Nitrolignose, eine Nitrocellulose (s. d.), bei der als Cellulose fein zerteilte Holzfaser verwandt ist und der vor der Komprimierung zu Patronen noch salpetersaure Salze zugesetzt sind.

Nitrolit, ein zu den Dynamiten, besonders zu den Abeliten (s. d.) gehöriges Sprengmittel; es besteht aus gelatinisiertem Nitroglycerin und Nitrobenzin und Salpeter, wofür auch Ruß, Papiermasse u. s. w. verwandt werden können.

Nitromannit, s. Knallmannit.

Nitronaphthalin, s. Naphthalin.

Nitrophosphate, als Düngemittel verwendete Gemische von Superphosphaten mit Chilesalpeter.

Nitroprusside, Verbindungen, die aus den Ferrocyanverbindungen durch Behandeln mit Salpetersäure hervorgehen. Von diesen ist das wichtigste das Nitroprussidnatrium,

FeNa3(CN)5(NO)2H2o.

Man erhält dasselbe in schönen roten wasserlöslichen Krystallen, deren Lösung ein sehr charakteristisches Verhalten gegen Schwefelwasserstoff und lösliche Schwefelmetalle zeigt. Sie giebt damit, selbst wenn nur Spuren zugegen sind, tief purpurrot gefärbte Lösungen, die bald blau und später mißfarbig werden.

Nitrorohrzucker, auch Nitrosaccharose genannt, ein weißes Pulver, welches durch das Nitrieren von Rohrzucker entsteht. N. ist ein Sprengstoff von großer explosiver Kraft, aber sehr gefährlich herzustellen und zu handhaben.

Nitrosaccharose, s. Nitrorohrzucker.

Nitrosamine, die Einwirkungsprodukte von salpetriger Säure auf sekundäre Amine (s. Ammoniakbasen). Die N. sind neutrale unzersetzt destillierende gelbliche Öle von gewürzigem Geruch. Durch starke Reduktionsmittel, wie Zinnchlorür, werden sie wieder in die sekundären Basen übergeführt und dienen deshalb häufig zur Reindarstellung der letztern. Gelinde Reduktionsmittel (z. B.