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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Reichstagsgebäude - Reid (Thomas)

hat der R. das Recht, Petitionen anzunehmen, Interpellationen an die Regierung zu stellen und Adressen an den Kaiser zu richten. Der R. regelt seinen Geschäftsgang und seine Disciplin durch eine Geschäftsordnung (s. d.), er prüft die Legitimation seiner Mitglieder und wählt einen Präsidenten, 2 Vicepräsidenten und 8 Schriftführer. Für das Kassen- und Rechnungswesen ernennt der Präsident 2 Quästoren. Die 3 Präsidenten, die 8 Schriftführer, die 2 Quästoren und die 7 Vorsitzenden der Abteilungen, in die der R. zum Zweck der Wahlprüfungen geteilt wird, bilden den Gesamtvorstand des R.

Vgl. Wiermann, Der Deutsche R. (2 Bde., Lpz. 1885); Freyer, Der Deutsche R. (4. Aufl., Berl. 1892); Frieß, Statistik der Wahlen zum Deutschen R. seit 1871 (Frankf. 1886; Nachtrag 1889); Robolsky, Der Deutsche R., Geschichte seines 25jährigen Bestehens 1867‒1892 (Berl. 1893); A. Braun, Die Parteien des Deutschen R. Ihre Programme, Entwicklung und Stärke (Stuttg. 1893). Außerdem erscheint in Berlin beim Beginn jeder Legislaturperiode ein «Amtliches Reichstags-Handbuch».

In der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (s. d., Bd. 12, S. 722 a) heißt die Vertretung Transleithaniens ebenfalls R. Auch in Dänemark und in Schweden führen beide Kammern zusammen den Namen R.

Reichstagsgebäude, s. Parlamentsgebäude.

Reichsthaler, s. Dukaten, Rigsdaler, Riksdaler und Thaler.

Reichsunmittelbarkeit, im alten Deutschen Reiche die Eigenschaft derjenigen Besitzungen und Personen, welche keiner landesherrlichen Gewalt, sondern nur dem Kaiser und Reiche selbst unmittelbar unterworfen waren. Außer den eigentlichen Reichsständen (s. d.), welche volle Landeshoheit besaßen, erfreuten sich noch der R. eine Menge größerer und kleinerer Herrschaften, Stifter und Klöster; ferner die Güter der Reichsritterschaft (s. d.) sowie die Reichsdörfer (s. d.). Es gehörten weiter dahin der hohe Adel, die regierenden fürstl. und gräfl. Häuser (aber nicht die landsässigen Familien, welche nur den Titel der Fürsten und Grafen vom Reiche hatten), die Besitzer reichsunmittelbarer Güter und die Beamten des Reichs, besonders die Mitglieder der höchsten Reichsgerichte. Die R. gewährte einen privilegierten Gerichtsstand. Die Auflösung des alten Deutschen Reichs machte auch der R. ein Ende.

Reichsverfassung, Deutsche, s. Deutschland und Deutsches Reich (Bd. 5, S. 146 fg.).

Reichsversicherungsamt, am 14. Juni 1884 in Thätigkeit getretene deutsche Reichsbehörde mit dem Sitz in Berlin, welcher zunächst die Durchführung der Gesetze über die Unfallversicherung (s. d.) sowie die Organisation und Beaufsichtigung der auf Grund derselben gebildeten Berufsgenossenschaften (s. d.) übertragen wurde. Mit dem Ausbau der socialpolit. Gesetzgebung wurden die Aufgaben des R. stetig erweitert. Besonders wurde seine Mitwirkung nach Maßgabe des Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetzes (s. d.) bei der Organisation der Versicherungsanstalten beansprucht und ihm auch die Aufsicht über diese Anstalten übertragen. Es ist ferner ausschließlich zuständig zu endgültigen Entscheidungen über Rekurse und Revisionen gegen die Entscheidungen der Schiedsgerichte. Das R. verteilt die Renten auf das Reich und die Versicherungsanstalten und vermittelt die Erstattung der durch die Post geleisteten Vorschüsse. Gegenüber den Mitgliedern der Vorstände und der sonstigen Organe der Berufsgenossenschaften sowie der Versicherungsanstalten stehen dem R. Strafbefugnisse zu. Das R. gehört zum Ressort des Reichsamtes des Innern und besteht aus ständigen und nichtständigen Mitgliedern. Erstere werden auf Vorschlag des Bundesrats vom Kaiser auf Lebenszeit ernannt. Von letztern werden, und zwar auf je 4 Jahre, 4 vom Bundesrat aus seiner Mitte und je 2 von den Vorständen der gewerblichen, landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften und der See-Berufsgenossenschaft und ebenso je 2 von den Vertretern der Arbeiter dieser drei Gruppen Standesvertreter mit der erforderlichen Zahl von Stellvertretern gewählt. Präsident des R. ist Bödiker (s. d.). Das R. giebt «Amtliche Nachrichten des Reichsversicherungsamtes» (Berl. 1885 fg.) heraus. (S. auch Landesversicherungsamt.)

Reichsverweser, s. Reichsvikarien.

Reichsvikarien oder Reichsverweser (Vicarii oder Provisores imperii), die einstweiligen Verwalter der Herrscherwürde, die im Deutschen Reiche bestellt wurden, wenn der Kaiser starb und noch kein Nachfolger desselben als röm. König erwählt war, der die Regierung sofort übernahm; ferner wenn der Kaiser auf längere Zeit sich aus dem Reiche entfernte, während der Minderjährigkeit des Kaisers und im Falle, daß derselbe durch Krankheit zur Regierung unfähig wurde. Die Vikariatsregierung endigte mit dem Augenblicke, wo der neue Kaiser die Wahlkapitulation beschworen hatte. Anfangs war die Ernennung der R. meist dem Kaiser überlassen; allein schon in der Goldenen Bulle von 1356 wird es als altes Herkommen anerkannt, daß der Herzog von Sachsen in den Landen sächs. Rechts und der Pfalzgraf bei Rhein in den schwäb., rhein. und fränk. Landen das Reichsverweseramt von Rechts wegen zu führen habe. Die gemeinschaftlichen Angelegenheiten des Reichs, die Reichstagsgeschäfte und die Rechtspflege an dem an Stelle des Reichshofrates gehaltenen Reichsvikariatsgericht wurden von beiden gemeinschaftlich besorgt; im übrigen handelte jeder in seinem Vikariatssprengel ganz selbständig. Gewisse Rechte des Kaisers konnten aber die R. nicht ausüben. Als 1848 die Deutsche Nationalversammlung zu Frankfurt die Provisorische Centralgewalt errichtete, stellte man einen Reichsverweser in der Person des Erzherzogs Johann an ihre Spitze.

Reichswährung, die auf Grund der Gesetze vom 4. Dez. 1871 und 9. Juli 1873 im Deutschen Reiche eingeführte Markwährung (s. Mark).

Reichswaisenhäuser, übliche Bezeichnung der von der Deutschen Reichsfechtschule (s. d.) gegründeten Waisenhäuser.

Reichthal, Stadt im Kreis Namslau des preuß. Reg.-Bez. Breslau, an der Studnitza, hat (1890) 1295 E., darunter 194 Evangelische und 37 Israeliten, Post, Fernsprechverbindung, kath. und evang. Kirche; Brauerei.

Reid (spr. rihd), Thomas, schott. Philosoph, geb. 26. April 1710 zu Strachan in Kincardineshire, studierte Theologie und wurde Pfarrer zu New-Machar in Aberdeenshire, 1752 Professor der Moralphilosophie am King’s College zu Aberdeen und 1763 zu Glasgow. Er starb 7. Okt. 1796. R. war einer der Hauptgegner von Humes Skepticismus. In seinem Werke «Inquiry into the human mind on the principies of common sense» (Lond. 1763 u. ö.), um dessentwillen er von Priestley heftige Angriffe erfuhr,