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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Abstinenz - Abt.

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Abstimmung'

A. der Geschwornen richtet sich die A. nach der Reihenfolge der Auslosung. Der Obmann stimmt zuletzt. Nicht selten wird übrigens auch der Ausdruck A. gleichbedeutend mit "Wahl" (s. d.) gebraucht.

Abstinénz (lat.), Enthaltung von gewissen Gegenständen des Genusses um einer moralischen oder religiösen Pflicht nachzukommen; bei den Katholiken insbesondere die Enthaltung von Fleischspeisen am Freitag und andern Fasttagen (Abstinenztagen). Im physiologischen Sinn ist A. Enthaltung von Speise und Trank (s. Hunger). - Abstinieren, sich eines Genusses enthalten, fasten.

Abstrahieren (lat.), weg-, abziehen; von etwas absehen, es aufgeben; das Wesentliche vom Zufälligen in der Erscheinung eines Gegenstands absondern.

Abstrákt (lat., "abgezogen"), Bezeichnung eines Begriffs, welcher nur die allgemeinen und darum wesentlichen Merkmale eines Dinges enthält. Die mehreren Gattungen von Pflanzen, Bäumen, Sträuchern, Gräsern, Moosen etc. gemeinsamen Merkmale, zu einem Begriff vereinigt, geben z. B. den abstrakten Begriff einer Pflanze. Auf dieselbe Weise kann man aus einer Anzahl einzelner Erscheinungen im Leben, die gewisse Merkmale gemein haben, eigentümliche Begriffe zusammensetzen, z. B. die Begriffe Tugend, Kunst, schön, wahr oder einzelne hervortretende Merkmale eines vorhandenen Begriffs auffassen und daraus einen neuen ableiten, z. B. weibisch, kindlich. Die Abstraktion wird demnach durch ein Absehen vom Besondern und ein Ausscheiden des bloß Individuellen vollzogen, daher der Name. Solcher Abstraktionen aber unterscheidet man zweierlei, quantitative und qualitative. Wird von der Form eines Ganzen oder der Verbindungsweise der einzelnen Teile desselben eine klare, von den einzelnen Teilen selbst aber eine undeutliche Darstellung gegeben, so haben wir eine quantitative Abstraktion. Der Mathematiker (welcher diese Art von Abstraktionen am meisten gebraucht) will nicht ein rotes oder grünes Dreieck, sondern er richtet seine Aufmerksamkeit bloß auf die Weise der Verbindung der einzelnen Linien und Winkel zu einem Dreieck, spricht deswegen von einem rechtwinkeligen, schiefwinkeligen, gleich- und ungleichseitigen. Ebenso spricht er von abstrakten ("unbenannten") Größen und will, wenn er mit seinem a, b, c, x, y, z rechnet, nicht gerade Münzen, Steine etc. bezeichnen, sondern nur auf eine Verbindung von Einheiten hinweisen. Die Sieben ist ihm eine Verbindung von Einheiten, kurz jede Zahl an sich nur eine Darstellung eines bestimmten Verhältnisses der Vielheit zur Einheit. Die quantitativen Abstraktionen liefern uns alle Raum- und Zeitbestimmungen, daher denn auch die Worte "dort", "wann", "wo", "über", "unter" solche Abstraktionen sind. Anders steht es mit den qualitativen Abstraktionen. Behalten jene von dem in der anschaulichen Erkenntnis mit allen seinen Beschaffenheiten aufgefaßten Gegenstand das Ding selbst vor dem Bewußtsein, lassen aber die Beschaffenheiten der einzelnen Teile verbleichen, so heben die Abstraktionen der zweiten Art die Beschaffenheiten des angeschauten Gegenstands recht hervor, lassen aber die Vorstellung des Gegenstands selbst dunkler werden. Liefern jene die Subjektvorstellungen für jedes Urteil, so geben diese dafür die Prädikate. - In der bildenden Kunst ist eine Darstellung abstrakt, wenn der Künstler sich bloß gemeinsamer Begriffe zur Bezeichnung seiner Ideen bedient, also die Individualisierung ausschließt, wodurch die Anschaulichkeit verloren geht. Daher ist der abstrakte Vortrag beim Redner, der ↔ bewegen, beim Dichter, der schildern und malen soll, ein Fehler.

Abstrakten (franz. Abrégés), diejenigen Teile des Regierwerks der Orgel (schmale Holzleisten oder Drähte), welche ziehend wirken, im Gegensatz zu den drückend wirkenden Stechern.

Abstrakte Zahl, s. v. w. unbenannte Zahl.

Abstraktion (lat.), die begriffliche Auffassung eines Gegenstands; s. Abstrakt.

Abstränze, weiße, s. Imperatoria.

Abstreichen, in der Jägersprache das Fortfliegen eines Raubvogels oder eines Federwilds von dem Ort, an welchem es vorher gesessen (gestanden) hat; auch das Abgehen eines Feldes zum Fang der Lerchen mit Garnen.

Abstreifen, in der Jägersprache das Abziehen der Haut (des Balges) von einem Hasen, Fuchs, Marder, Iltis, Fischotter.

Abstrūs (lat.), dunkel, verworren, unverständlich.

Abstumpfen, in der Chemie, s. Neutralisieren.

Absud, s. Abkochen.

Absúrd (lat.), der Etymologie nach eigentlich das, was von einem Tauben kommt, daher, da der Taube oft etwas sagt, was gar nicht zur Sache gehört, s. v. w. ungereimt, abgeschmackt. Im engern logischen Sinn versteht man darunter das, was einen (oft versteckten) Widerspruch enthält. Diesen klar herausstellen heißt ad absurdum führen (reduzieren). Hierin bestehen die apagogischen Beweise, von welchen besonders die Mathematik vielfachen und erfolgreichen Gebrauch macht. Im weitern Sinn heißt auch dasjenige absurd, was einer allgemein als ausgemacht geltenden Wahrheit widerspricht, wobei aber, wie man z. B. am Schicksal des kopernikanischen Weltsystems deutlich sieht, die scheinbare, d. h. dem Zeitalter so scheinende, Absurdität gerade die Wahrheit sein kann.

Absüßen, s. Auswaschen.

Absynth, Schnaps, s. Absinth.

Absynthiin, s. Artemisia.

Absynthĭum, s. v. w. Wermut, s. Artemisia.

Absyrtos, im griech. Mythus Sohn des Königs Äetes von Kolchis, wurde von Iason und Medea zerstückelt.

Abt (v. syr. Abba, "Vater"), aus einem allgemeinen kirchlichen Ehrennamen entstandener Titel eines Klostervorstehers, der bei manchen Orden Guardian, Prior, Rektor etc. heißt. Der A. hat das Recht der Disziplin und der Vermögensverwaltung. Gewählt wird er, wo nicht besondere Rechte entgegenstehen, von den Professen des betreffenden Klosters auf Lebenszeit oder, wie bei den Bettelorden, auf bestimmte Jahre. Die Weihe geschieht mit Überreichung der Insignien, des Stabes, Ringes, der Mütze und der Handschuhe. Einige Äbte, z. B. die zu Korvei und Fulda, hatten volle bischöfliche Gewalt und eigne Diözesen, andre (die infulierten Äbte) nur bischöfliche Titel und Insignien. Von diesen wirklichen (Regularäbten) sind zu unterscheiden die Säkularäbte, welche nur die Abtei und ihr Einkommen als Benefizium erhalten hatten und sich durch einen Vikar vertreten lassen mußten. Die Zahl derselben war besonders in Frankreich groß (s. Abbé). In der frühern Zeit gab es auch Laienäbte, Ritter und Fürsten, denen die Einkünfte eines Klosters vom Landesherrn zugewiesen waren. Alle diese heißen auch Kommendataräbte. Den Äbten entsprechen in den Nonnenklöstern Äbtissinnen, welche die Rechte, die sie als Frauen nicht selbst ausüben können, durch einen Vikar verwalten lassen. - In der protestantischen Kirche ist der Titel beibehalten für die Vorsteher einiger Stifter und hier und da als Ehrentitel.