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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Acte - Acton.

Acte (franz., spr. akt), im franz. Rechtswesen Bezeichnung jeder Art von Urkunde, die als Beweismittel für irgend eine Thatsache, namentlich eine Willenserklärung, dienen soll. Man unterscheidet: Actes sous seing-privé (Privaturkunden), welche der Anerkennung der Parteien bedürfen, um eine rechtliche Wirkung hervorzubringen; Actes authentiques (öffentlich beglaubigte Urkunden), welche auch ohne Anerkennung Beweiskraft haben, bis sie in gesetzmäßiger Weise für unecht oder verfälscht erklärt werden; Actes exécutoires (vollstreckbare Urkunden), auf Grund deren die sofortige Zwangsvollstreckung erfolgen kann. Dahin gehören die Notariatsinstrumente und die von französischen Gerichten ausgefertigten Erkenntnisse. A. législatif, eine von den gesetzgebenden Faktoren beschlossene und verfassungsmäßig verkündete Rechtsnorm. A. respectueux, im französischen Rechte der förmliche Antrag eines Kindes auf Erteilung der elterlichen Zustimmung zur Verheiratung. Der Sohn, welcher das 25., und die Tochter, welche das 21. Lebensjahr vollendet hat, können sich auch ohne die Zustimmung der Eltern verehelichen; sie müssen aber, der Sohn bis zum 30., die Tochter bis zum 25. Lebensjahr, drei Actes respectueux in monatlichen Zwischenräumen vor dem Notar vornehmen. Für ältere Kinder genügt ein einmaliger A. respectueux.

Acti labores jucundi, lat. Sprichwort: "Vollendete Arbeiten sind angenehm", unser: Nach gethaner Arbeit ist gut ruhen.

Actio (lat.), in der Rechtssprache die Klage, d. h. ein Rechtsmittel, welches zur gerichtlichen, angriffsweisen Geltendmachung eines rechtlichen Anspruchs gegen einen bestimmten Gegner gegeben ist, sowie die Ausübung dieses Klagerechts durch gerichtliche Verfolgung. Die Anzahl der Aktionen ist sehr groß, indem fast für jeden rechtlichen Anspruch einer bestimmten Gattung (z. B. für die aus dem Eigentum, dem Pfandrecht, einem Kauf-, Tausch-, Miet-, Gesellschaftsvertrag etc. hervorgehenden Ansprüche) eine besondere, an bestimmte Voraussetzungen geknüpfte und mit eigentümlichen Wirkungen versehene A. gegeben ist; so z. B. A. negatoria, die Klage wegen Eigentumsstörung; A. Pauliana, die Klage wegen Veräußerungen seitens des Schuldners zum Nachteil des Gläubigers; A. doli, die Klage wegen böswilliger Schädigung; A. de dote, die Klage auf die Mitgift, etc. Außer dem angegebenen Begriff kommen dem Wort A. noch sehr viele andre Bedeutungen zu, z. B. die eines Rechtsgeschäfts, ferner die des durch ein Rechtsgeschäft begründeten Anspruchs, dann des Rechts und der Möglichkeit, einen solchen Anspruch geltend, besonders gerichtlich geltend zu machen, auch einer öffentlichen Anklage, endlich die der Befugnis einer obrigkeitlichen Person, bestimmte Rechtsgeschäfte vornehmen zu lassen. Im weitesten Sinn wird unter A. jedes Rechtsmittel verstanden.

Actions de jouissance (franz.), Genußscheine, s. Aktie.

Actis testantĭbus (lat.), nach Ausweis, Zeugnis der Akten.

Actium, lat. Name von Aktion (s. d.).

Acton (spr. äckt'n), Wohnstadt westlich von London in Middlesex (England), mit (1881) 17,125 Einw.

Acton (spr. äckt'n), 1) Sir John Francis Edward, Premierminister Ferdinands IV. von Neapel, geb. 1. Okt. 1737 zu Besançon, wo sein Vater, ein katholischer Engländer, Arzt war, trat nach vollendeten Studien in französischen, dann in toscanischen Marinedienst und befehligte 1774 als Fregattenkapitän die ↔ von Spanien und Toscana gemeinsam unternommene Expedition gegen die Barbaresken. Darauf in neapolitanische Dienste berufen, gewann er die Gunst der Königin Karoline, wurde Marine-, dann Kriegs-, Finanz- und endlich Premierminister. Ehrgeizig und ränkesüchtig, beeiferte er sich der Königin zuliebe, ein despotisches Regiment zu errichten und Neapel in den Krieg gegen die französische Revolution zu verwickeln. Nachdem 18. Dez. 1792 der französische Admiral La Touche durch ein Bombardement Neapels die Anerkennung der Republik und die Neutralität Neapels erzwungen hatte, wandten sich A. und die Königin entschieden England zu und traten in das engste Verhältnis zu dem englischen Gesandten Hamilton und dessen berüchtigter Gattin. Am 12. Juli 1793 kam die Allianz mit England zu stande, und A. suchte nun die italienischen Staaten zu einem Bund gegen Frankreich zu vereinigen. A. wandte alle Kräfte des Staats auf die Vermehrung der Flotte und die Verstärkung des Landheers. Darauf wurde eine sogen. Staatspolizei eingerichtet, die Giunta di stato (1794), die jeden Freisinnigen als des Einverständnisses mit den Franzosen verdächtig verdammte. A. übte diktatorische Gewalt; der Geheime Staatsrat bestand nur aus ihm, dem König und der Königin. Durch Bonapartes Siege schwer bedroht, schloß Neapel durch A. zuerst zu Brescia (5. Juni 1796) einen Waffenstillstand, dem der Friede zu Paris (11. Okt. 1796) mit für Neapel günstigen Bedingungen folgte. Aber schon 1798 schloß sich Neapel dem Bündnis Österreichs, Rußlands und Großbritanniens gegen die französische Republik an, und auf Nelsons Rat griff das neapolitanische Heer das französische im Kirchenstaat an. Nach dem unglücklichen Ausgang des Kriegs bewogen A. und Hamilton den König zur Flucht nach Palermo und begleiteten ihn dahin (31. Dez. 1798). Als die parthenopeische Republik 1799 durch den vom Kardinal Ruffo geleiteten Volksaufstand wieder gestürzt wurde, verwarf der König auf Actons Rat die ausbedungene Amnestie, und in dem nun folgenden Blutbad fielen nicht wenige als Opfer der Privatfeindschaft Actons. Der Friede zu Florenz (28. März 1801) löste Neapels Verbindung mit England und beraubte A. und seine Genossen des offenen Einflusses. Im J. 1804 auf Verlangen Frankreichs ganz vom Hof entfernt, begab sich A. nach Sizilien, intrigierte aber im geheimen fort, und auf seinen Rat verletzte Ferdinand IV. den am 21. Sept. 1805 mit Napoleon geschlossenen Neutralitätsvertrag, indem er im November ein Heer von 12,000 Russen und Engländern landen ließ und dem Russen Lacy den Oberbefehl über seine Truppen gab. A. wurde hierauf zurückgerufen und von neuem an die Spitze der Verwaltung gestellt. Durch den Einmarsch der Franzosen im Februar 1806 abermals gestürzt, starb er allgemein verhaßt 12. Aug. 1811 in Palermo.

2) Sir Ferdinand Richard Edward, ältester Sohn des vorigen, geb. 24. Juli 1801, heiratete 1832 Marie Luise, die Tochter Emmerich Josephs, Herzogs von Dalberg, und nahm dessen Namen an. Er starb 31. Jan. 1837 in Paris. Sein einziger Sohn, Lord John Emeric Edward Dalberg-A., geb. 1833, vertrat seit 1859 Carlow in Irland im Parlament und zählt zu den hervorragenden Mitgliedern der antiultramontanen katholischen Partei. In diesem Sinn begründete er 1861 die "Home and Foreign Review", in der er 1863 mit dem unglücklichen Versuch auftrat, die von ihm wieder an das Licht gezogenen "Matinées royales" als ein Werk Friedrichs II. von Preußen zu erweisen. Während des vatikanischen

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 99.