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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Amerikanische Altertümer

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Amerikanische Altertümer (Südamerika).

Honduras enthält Temampua an 300 Gebäude und Pyramiden; Copan erinnert durch seine Monumente an Ägypten, seine Bauten sind die ältesten des Landes und waren schon bei Ankunft der Spanier mit einem Sagenkreis umwoben. Riesige Götzenbilder stehen auf hohen Bergen. Yucatans Ruinenstädte, Uxmal, Zayi, Labna, Kabah u. a., von denen man bereits 50 kennt, überraschen durch ihre Ausdehnung und die Pracht ihrer Paläste, zu deren aufeinander getürmten Terrassen riesige Treppen führen. Alle diese alten Bauten zeichnen sich im strengen Gegensatz zu den überladenen neuern Denkmälern vorteilhaft aus durch ihre strenge Einfachheit und ihren Ernst. Ein schönes Beispiel ist der berühmte pyramidale Tempel von Palenque in Guatemala. Die von H. Berendt aus Danzig 1877 entdeckten Überreste eines Tempels in Santa Lucia de Cotzamalquapan wurden zum Teil 1881 nach Berlin gebracht; es sind acht das Menschenopfer darstellende Tuffsteine. Steinerne Götzenbilder kommen in den Ruinen zahlreicher Bauten vor, sowohl kleine Amulette als kolossale Steinfiguren, wie die Schlangen zu Chichen Itza mit Köpfen von mehr als 3 m Länge. Meist sind indessen diese größern Statuen nicht vollständig aus dem Gestein ausgearbeitet, sondern nur in Hautrelief ausgeführt. Die aus einfach kolorierten Umrißlinien bestehenden hieroglyphischen Malereien der Mexikaner sind in demselben Stil gehalten wie ihre Skulptur. Gerätschaften und Waffen verschiedenster Art haben sich vorgefunden. Vor allem diente der Obsidian zur Herstellung von Messern, Pfeil- und Lanzenspitzen etc.; auch Serpentin, Marmor, Granit, Sandstein, Nephrit, Gold, Silber, Kupfer und Bronze wurden verarbeitet. Als Zahlungsmittel dienten Goldstaub in Federkielen, Silber-, Zinn- und Kupferbarren, daneben Kakaobohnen. Außerdem wurde das Gold zu Perlen, Ringen, Halsketten und kleinen Götzenbildern vielfach angewandt. Namentlich in der Nähe des Golfs von Chiriqui hatte die Goldschmiedekunst ihre höchste Vollendung erreicht, wie die zahlreichen Funde in den Grabstätten der Nachbarschaft bezeugen. Gefäße und Geschirr wurden aus schwarzem oder rotem Thon hergestellt. Dieselben besitzen nicht selten absichtlich unproportionierte Formen und stellen vielfach tierische und menschliche Figuren dar.

In Südamerika treffen wir einen weitern Kulturkreis zunächst bei den Tschibtscha- oder Muiscavölkern auf dem Hochland und in den Thälern von Kolumbien. Reste alter massiver Bauwerke, wahrscheinlich Ruinen alter Tempel, sind auf der Hochebene von Tunja gefunden worden. Doch sind architektonische Reste verhältnismäßig selten, da die Häuser vorwiegend aus Holz errichtet wurden. Steinbilder von 1-2,5 m Höhe sind in grotesken Formen aus einem harten Sandstein ausgehauen. Aus dem in den meisten dortigen Flußläufen gefundenen Gold wurden Bildnisse von Menschen, Tieren u. a. in ansprechender Form hergestellt. Hautreliefs mit hieroglyphenartigen Inschriften, so der von Humboldt beschriebene Kalenderstein, scheinen darauf hinzuweisen, daß die Tschibtscha Schriftzeichen besaßen.

Die Savannen von Varinas durchzog eine 38 km lange, aus hohen Dämmen bestehende Straße, an der sich viele Begräbnisstätten befinden; im Gebiet des Orinoko müssen vor den jetzigen sehr rohen Bewohnern Stamme höherer Kultur gewohnt haben, denn wir sehen an den Felswänden riesenhafte Darstellungen von Tieren, planetarische Figuren u. a. Auch auf den Hochebenen Perus und Bolivias deuten die gigantischen Monumente zu Tiahuanaco am Titicacasee auf eine ausgestorbene Urbevölkerung. Man findet aus mächtigen Steinblöcken errichtete Bauwerke, die, früher von den höher stehenden Gewässern des Sees bespült, jetzt nach Sinken des letztern landeinwärts gerückt sind, Cyklopenmauern, aus mächtigen Steinen ohne Anwendung von Mörtel so geschickt erbaut, daß kaum die Schneide des Messers in die Fugen einzudringen vermag, große Thore aus Monolithen, aber sämtlich schon zerfallen, als die Inka ins Land. kamen. Die Skulpturen aus dieser ältesten Zeit zeigen zwar nur die Umrisse der menschlichen Form, sind aber sorgfältig nach konventionellen Gesetzen behandelt.

Aus der Zeit der Inka stammen die Ruinen eines Inkatempels auf der Insel Titicaca im gleichnamigen See; die Reste des berühmtesten aller Tempel, des Pachacamac, 17 km von Lima; die an verschiedenen Orten vorkommenden Gräber und Paläste der Inka. Alle diese Bauten, meist einfache Vierecke von großen behauenen Steinen, mit riesigen Steinplatten gedeckt, charakterisieren sich durch die pyramidale Gestalt der Thür- und Fensteröffnungen, die nicht selten mit großen und schönen Umfassungen geziert sind. In Cuzco, der Residenz der Inka, stand der berühmte Sonnentempel mit seinen Goldreichtümern. Hier finden sich gleichfalls noch die Ruinen der großen Festung von Cuzco, welche, von dreifacher Ringmauer umgeben, die mit Gold- und Silberschmuck ausgestattete Behausung der Inka umschloß. Von Cuzco aus verliefen die in ihren Resten noch erhaltenen Heerstraßen des Inkareichs; vor allen war die nördliche, nach Quito führende, mit Festungen und Herbergen versehene ein Meisterwerk der Baukunst. Diese Straßen verbanden Cuzco mit 300 im Land erbauten Tempeln. - Bei den Skulpturen aus der Zeit der Inka fehlt die künstlerische Ausführung der Altertümer von Mexiko. Dagegen überragten die Inkaperuaner die nördlichern Völker weitaus in der Bearbeitung der Metalle, vor allem in derjenigen des Goldes. Künstlerisch hergestellte Vasen, Figuren der verschiedensten Art, Schmuckgegenstände aus diesem Metall haben sich in den Grab- und Ruinenstädten der Inka vorgefunden, nicht minder keramische Arbeiten, welche sich durch Mannigfaltigkeit und Schönheit der Formen auszeichnen: Tiere, Menschen in den verschiedensten Stellungen, Schiffe u. a., namentlich auch bemalte Vasen. Besonderes Interesse hat noch das Gräberfeld von Ancon, unfern Lima, mit seinen Tausenden von Grabstätten durch die Untersuchungen von Reiß und Stübel ("Das Totenfeld von Ancon", Berl. 1881 ff.) in Anspruch genommen. Dasselbe ist in einem Areal von etwa 1 qkm in unregelmäßigem Viereck von einer jetzt meist von Sand verschütteten Mauer umfriedigt, doch hat es sich später weit über jene Mauer hinaus ausgedehnt. Die einzelnen Gräber sind weder durch Hügel noch sonstige Denkmäler gekennzeichnet, stellen vielmehr einfache, schachtartige Vertiefungen von 2-6 m dar, in welchen der Leichnam, umhüllt von Tüchern, in kauernder Stellung als "Mumienballen" beigesetzt wurde. Nur bei den Leichen vornehmer Familien sind diese Ballen mit kostbaren Decken und Tüchern umkleidet, welche durch ihr gobelinartiges Gewebe und durch die Farbenpracht ihrer mannigfaltigen Muster einzig in ihrer Art dastehen. Die Beigaben bestehen aus allerlei Hausrat: zierlichen, bunt bemalten Spindeln sowie allen zum Spinnen, Weben und Nähen gehörigen Geräten, welche neben noch unvollendeten Gespinsten fast in allen Gräbern vorkommen. Daneben zeigen sich Waffen, Schmuck-^[folgende Seite]